35-Jähriger baut in China ein eigenes Sackmesser-Museum
Yang Haoran ist der grösste Victorinox-Fan der Welt

Wenn andere arbeiten gehen, nimmt Yang Haoran ein paar seiner 2000 Schweizer Sackmesser aus den Schubladen und streichelt sie stundenlang. Nun hat der Chinese in seiner Stadt sogar eine teure Wohnung gekauft, um ein Victorinox-Museum zu eröffnen.
Publiziert: 08.09.2019 um 23:03 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2019 um 09:31 Uhr
Nie ohne Handschuhe: Yang Haoran behandelt seine Sackmesser wie einen Schatz.
Foto: Siggi Bucher
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Guido Felder

Wie nennt man jemanden, der täglich während Stunden seine Sackmesser mit Handschuhen aus der Schublade holt, sie liebevoll streichelt sowie immer wieder auf- und zuklappt? Einen Fan, einen Freak, einen Spinner?

Der Chinese Yang Haoran (35) ist alles in einem. In seinem Haus in der 30-Millionen-Stadt Chongqing hat er sich ein eigenes Victorinox-Reich erschaffen. Rund 2000 Sackmesser sind es, die er seit 2013 gesammelt hat und in Schränken und Kommoden aufbewahrt – möglichst ungebraucht und originalverpackt, sonst haben sie für ihn nur wenig Wert.

Sein ältestes Stück stammt aus dem Jahre 1910. Sein liebstes Messer aber ist das Alu-Modell «Alox Pioneer» aus dem Jahre 1957 – kein spektakuläres Werkzeug, sondern sehr schlicht. Genau das gefällt Yang: «Es hat die gleiche Funktionalität wie das allererste Victorinox-Messer von 1891.»

In Victorinox verliebt

Mit seiner Leidenschaft angefixt hatte ihn sein Vater. «Als ich acht Jahre alt war, schenkte er mir das erste Schweizer Sackmesser, das damals in China äusserst teuer war», erzählt Yang. «Ich nahm es ständig aus der Tasche und öffnete die einzelnen Werkzeuge. Ich verliebte mich förmlich in Victorinox!»

Das Messer gebe ihm das Gefühl, alles immer unter Kontrolle zu haben, ob im Wald, beim Campieren, in der Küche oder sonst wo. «Man kann ein Schweizer Taschenmesser den ganzen Tag in der Tasche haben, ohne es zu bemerken. Sobald man es braucht, ist es da. Das ist für mich Swissness.»

Täglich Stunden am Pflegen

Die Firma Victorinox in Ibach SZ ist im vergangenen Jahr auf ihren Bewunderer aufmerksam geworden, als sie auf ihrer Homepage Sammler aufforderte, sich zu melden. Yang Haoran hat den kleinen Wettbewerb für sich entschieden und eine Einladung in die Innerschweiz gewonnen. «Seither steht er in engem Kontakt mit uns», sagt Victorinox-CEO Carl Elsener (61). «Interessant für ihn ist vor allem der Austausch mit unserem Archivteam, weil er so viel über die Taschenmesser weiss.»

Dass der Familienvater so viel Zeit in seine Leidenschaft investieren kann, hängt damit zusammen, dass sein Klimageräte-Unternehmen in China gut läuft. Täglich widmet er sich vier bis sechs Stunden seiner Sammlung, nur um herauszufinden, wie sich die Modelle im Laufe der Zeit entwickelt haben. «Ich nehme sie in die Hand, um aus ihnen ihre Geschichte zu lesen», fasst Yang zusammen.

Seine Frau Ting Zhang (34) störe es überhaupt nicht, wenn im Haus überall Messer herumlägen. Im Gegenteil, sie unterstütze ihn bei seinem Hobby. Yang lacht: «Sie hat nun sogar damit begonnen, Victorinox-Parfum zu sammeln.»

60'000 Anhänger in China

In diesen Tagen weilte der Chinese für Gespräche in Ibach, wo ihn BLICK getroffen hat. Ganz stolz erzählt er den Grund seiner erneuten Reise in die Schweiz: «Ich bekomme nun sogar ein eigenes Modell für meine Community in China.» Seine Community? Yang hat angefangen, ein jährlich erscheinendes Hochglanzmagazin über Victorinox-Produkte zu publizieren, zudem führt er zum Thema ein Forum, dem rund 60’000 chinesische Sackmesser-Fans folgen. 

Bald wird Yangs Sammlung sein Haus verlassen. Der Messer-Freak hat nämlich noch viel mehr vor, als einfach nur Messer um Messer zu kaufen. Er will im kommenden Jahr in seiner Stadt sogar ein Victorinox-Museum eröffnen. «Ich habe dazu extra eine Wohnung mit vielen Zimmern gekauft, in der ich alle Victorinox-Produkte wie Messer, Parfums, Uhren und Reisegepäck ausstellen will.» Selbstverständlich werde er auch Kameras und eine Alarmanlage einbauen, weil die Stücke made in Switzerland auch bei Dieben sehr begehrt seien.

Bereits sei auch die Nachfolge geregelt. Obwohl erst sechs Jahre alt, hilft Sohn Modi seinem Vater gerne beim Pflegen seiner Schätze. Yang: «Er hat mir unmissverständlich gesagt: ‹Wenn ich gross bin, will ich die Sammlung!›»

Es fehlt vor allem eines ...

Bisher hat Yang mindestens 300’000 Franken in die Sammlung investiert, dazu kommt die Wohnung, die rund eine Million Franken gekostet habe. CEO Carl Elsener hält fest, dass Victorinox Yang – abgesehen vom Zurverfügungstellen von Ausstellungsstücken – finanziell nicht unterstütze. «Herr Yang macht das alles aus eigener Initiative, was für uns natürlich äusserst wertvoll ist», sagt Carl Elsener.

Yang besitzt inzwischen fast alle Messer, die Victorinox je hergestellt hat. Allerdings fehlt ihm das allererste Modell aus dem Jahre 1891. «Zwar ist es mir auch schon angeboten worden, aber leider nur gebraucht und ohne Originalverpackung», bedauert Yang. Was würde er, der für sein bisher teuerstes Sammelstück 3000 Franken bezahlt hat, dafür bieten? Yang lacht und sagt kurz und bestimmt: «Ich will es unbedingt.»

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