50'000 Einheimische demonstrieren gegen Urlauber – Tourismusexperte ordnet ein
Was wäre Mallorca eigentlich ohne Touristen?

Die Demonstrationen gegen den Massentourismus häufen sich auf der spanischen Ferieninsel Mallorca. Doch was wäre, wenn es keine Touristen mehr gäbe? Ein Tourismusexperte ordnet ein.
Publiziert: 23.07.2024 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2024 um 18:32 Uhr
Liza Mia Stoll

Mallorca, Barcelona und Malaga: Alles spanische Touristenmetropolen, die mit Massentourismus zu kämpfen haben. Die Situation eskaliert zunehmend – vor allem auf der Baleareninsel Mallorca. Zahlreiche Einheimische gingen hier auch am Montag wieder auf die Strasse und demonstrierten gegen den Touristen-Andrang. Mit Sprüchen wie «Sagen wir Basta!» und «Mallorca steht nicht zum Verkauf» fordern sie die Regierung auf, etwas gegen den Massentourismus zu unternehmen. 

Knapp eine Million Menschen leben auf Mallorca – 12,5 Millionen Touristen zählt die Insel pro Jahr. Gerade, wenn es im Verhältnis zur Anzahl der Einheimischen viele Touristen gibt, falle der Massentourismus noch extremer auf, erklärt Tourismus-Experte Christian Laesser von der Universität St. Gallen. «Das Problem ist, dass interessante Orte, die öffentlich zugänglich sind, mit Einheimischen geteilt werden müssen», sagt Laesser zu Blick.

Mallorca ist vom Tourismus abhängig

Wie immer, hat die Medaille aber zwei Seiten. Wenn der Tourismus auf Mallorca fast ganz wegfallen würde, hätten die Einheimischen ein Problem. Und zwar ein grosses. Einen Vorgeschmack darauf, wie die Insel ohne Urlauber aussehen würde, hatten die Mallorquiner während Corona.

In den vergangenen Wochen gab es auf Mallorca immer wieder Proteste gegen den Massentourismus.
Foto: AFP
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Die Pandemie traf die Ferieninsel hart – laut dem balearischen Statistikamt kamen im Jahr 2020 nur zwei Millionen Besucherinnen und Besucher auf die Insel. 

Arbeitslosenzahlen schossen in die Höhe

Der Tourismus macht mehr als ein Drittel der Wirtschaftsleistung von Mallorca aus. Viele Menschen sind in der Gastronomie oder Hotellerie beschäftigt. Ende 2020, während der Pandemie, schossen die Arbeitslosenzahlen auf den Balearen in die Höhe: Fast 85'000 Menschen hatten keine Arbeit – 23'000 mehr als im Vorjahr. 

Auch die Zahl der hilfesuchenden Familien habe sich im Corona-Jahr auf 600 verdoppelt, sagte Miguel Angel Colom, der Vorsitzende einer Bürgervereinigung in Palma, damals zur «Deutschen Welle». Früher seien vor allem Einwanderer von Armut betroffen gewesen, während der Pandemie traf es auch die Mallorquiner. 

Nicht alle profitieren vom Tourismus

Auch wenn viele Einheimische vom Tourismus abhängig sind, profitieren längst nicht alle davon. Aktuell klagen viele Demonstranten, dass eine grosse Mehrheit im Tourismussektor sehr niedrige Löhne erhalte. Diese sollten kaum reichen, um die teuren Mieten auf der Insel zu bezahlen.

Der Tourismusexperte bestätigt: «Viele Jobs im Tourismus sind Low-paid-Jobs. Trotzdem ist der Tourismus eine Job-Maschine und es ist für die Menschen einfach, in die Tourismusbranche einzusteigen und Geld zu verdienen.»

Auf Mallorca gibt es laut dem Experten ein klassisches Verteilungsproblem. «Nutzen und Kosten werden nicht im Sinne der lokalen Bevölkerung verteilt.» Was so viel bedeutet wie: Die Touristen kurbeln zwar die Wirtschaft an, jedoch lebt die Bevölkerung trotzdem unter erschwerten Bedingungen. Ein zweischneidiges Schwert – eine abschliessende Lösung gibt es nicht. 

Lösungen zu finden ist schwierig

«Eine effiziente Methode wäre, die Touristensteuer zu erhöhen», erklärt der Tourismusexperte. Längerfristig mache es auch Sinn, mit Kapazitätsbeschränkungen zu arbeiten. Das heisst, die Plätze in Hotels und Ferienwohnungen zu reduzieren. 

Der Experte nennt Barcelona als Beispiel, wo es ab 2029 keine Ferienwohnungen für Touristinnen und Touristen mehr geben soll. So soll die Wohnungsnot für die lokale Bevölkerung bekämpft werden. «Solche Massnahmen brauchen jedoch Zeit und sind nicht von heute auf morgen umsetzbar.»

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