AfD bleibt aussen vor
Neue rechte Fraktion im EU-Parlament gründet sich

Viktor Orbans neues Rechtsbündnis «Patrioten für Europa» hat eine Fraktion im EU-Parlament gegründet, die über 80 Mitglieder zählt. Abgeordnete der AfD bleiben aber vorerst aussen vor.
Publiziert: 08.07.2024 um 16:16 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2024 um 07:57 Uhr
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Das von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban vor knapp einer Woche aus der Taufe gehobene Rechtsbündnis «Patrioten für Europa» bildet eine neue Fraktion im Europaparlament. Neben Orbans Partei Fidesz sind unter anderem das rechtsnationale Rassemblement National aus Frankreich, die an Italiens Regierung beteiligte nationalistische Lega und die einwanderungsfeindliche FPÖ aus Österreich Teil der Fraktion, wie Vertreter des neuen Zusammenschlusses nach der Gründungssitzung in Brüssel sagten. Die deutsche AfD wird vorerst kein Mitglied sein.

Fraktionschef soll der Franzose Jordan Bardella werden. Nun muss die Fraktion Parlamentspräsidentin Roberta Metsola über die Gründung informieren. Offiziell bestätigt wird sie dann voraussichtlich bei der kommenden Plenarsitzung nächste Woche in Strassburg.

Drittstärkste Fraktion

Für die Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens 7 Ländern erforderlich. Die neue Fraktion wird nach eigenen Angaben die drittstärkste hinter Sozialdemokraten und dem mitte-rechts Bündnis EVP sein. Nach eigener Rechnung umfasst die Fraktion 84 Abgeordnete. Sie setzt sich aus Abgeordneten aus zwölf Ländern zusammen.

Das Rechtsbündnis «Patrioten für Europa» von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban hat eine Fraktion im Europaparlament gegründet.
Foto: keystone-sda.ch

Orban, zugleich Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz, der Chef der rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl, und der Vorsitzende der populistischen tschechischen ANO, Andrej Babis, hatten vor gut einer Woche in Wien das Bündnis «Patrioten für Europa» angekündigt. Die neue Fraktion soll laut Orban Europa «auch gegen den Willen der Brüsseler Eliten verändern». Orban hatte erst jüngst mit einer Reise nach Moskau die Kritik vieler EU-Staaten auf sich gezogen. Ungarn übernahm am 1. Juli den alle sechs Monate rotierenden EU-Ratsvorsitz.

Gegen Migration, «Green Deal» und Ukraine-Unterstützung

Ein «Patriotisches Manifest» des Bündnisses beinhaltet die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und «Green Deal», keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten.

Die FPÖ ist in Österreich seit Jahrzehnten etablierte politische Kraft und aktuell auf dem Höhenflug. Wegen ihrer Anti-Migrations-Haltung haben die Rechtspopulisten bei der Nationalratswahl im Herbst gute Chancen, auf Platz eins zu landen. 

Der ANO-Gründer, Ex-Ministerpräsident und Milliardär Andrej Babis suchte bereits seit längerem den Schulterschluss mit Viktor Orban. Wären heute Parlamentswahlen in Tschechien, würde die populistische ANO mit Abstand stärkste Kraft werden.

Das Rassemblement National von Marine Le Pen wurde bei der Europawahl mit deutlichem Vorsprung stärkste Kraft in Frankreich. In der darauffolgenden Neuwahl des französischen Parlaments landeten die Rechtsnationalen allerdings unerwartet nur auf dem dritten Platz. Seit Jahren ist Le Pen bemüht, das RN zu «entteufeln», und von seiner rechtsextremen Geschichte und der Holocaust-Verharmlosung des Parteigründers Jean-Marie Le Pen zu entkoppeln. Damit hat sie die Partei bis weit in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.

Auch Geert Wilders mit dabei

Die Partei Fidesz regiert in Ungarn seit 2010 ununterbrochen. Sie musste bei der Europawahl deutlich Federn lassen, ist aber dennoch stärkste Partei geblieben. Die Rechtspopulisten stellen sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und steht etwa wegen eines Abbaus des Rechtsstaats, Klientelismus und Gängelung der freien Medien in der Kritik.

Die Lega von Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini ist seit Oktober 2022 zusammen mit zwei anderen Rechtsparteien in Rom an der Regierung. Der Rechtspopulist Salvini wurde in früheren Jahren als Innenminister durch ein äusserst hartes Vorgehen gegen Flüchtlinge auf dem Mittelmeer und gegen Hilfsorganisationen bekannt.

Vox ist in Spanien in der Opposition und will ein Europa «freier und souveräner Vaterländer». Die Partei propagiert Stolz auf die eigene Nation, Bevorzugung heimischer Produkte, Einschränkung des Freihandels und Beendigung illegaler Einwanderung. Zudem fällt sie durch Diffamierung von Einwanderern auf.

Auch aus weiteren kleineren EU-Ländern machen Parteien mit. Dazu zählt etwa die radikal-rechte Partei des Niederländers Geert Wilders, die rechtspopulistische Dänische Volkspartei und Belgiens radikal rechter Vlaams Belang. Zudem hat die 2019 gegründete rechtspopulistische Partei Chega (Es reicht) aus Portugal ihr Interesse bekundet.

AfD macht vorerst nicht mit

Die deutsche AfD, die vor der Europawahl aus der rechtsnationalistischen Fraktion ID ausgeschlossen worden war, sieht zunächst ihren Platz nicht in den Reihen der neuen Allianz um Orban. AfD-Chefin Alice Weidel hatte dies am letzten Dienstag ausgeschlossen. Man sei im Austausch, aber momentan sei das keine Option. Sie sprach von einem strategisch langfristigen Projekt.

«Wir sind in Freundschaft verbunden, wir haben unglaubliche inhaltliche Schnittmengen, aber sowohl die eine als auch die andere Partei unterliegt politischen und auch aussenpolitischen und aussenwirtschaftlichen Zwängen, auf die wir momentan Rücksicht nehmen müssen», sagte die AfD-Chefin auf die Frage, ob ihre Partei in dem Bündnis nicht gewollt sei.

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