Freilassung der israelischen Geiseln werfen Fragen auf
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Lachen und Winken:Freilassung der israelischen Geiseln werfen Fragen auf

«Angst vor Hinrichtung»
Hamas-Geiseln verraten Details über Gefangenschaft

Die Hamas nahm am 7. Oktober rund 240 Geiseln fest. Inzwischen wurden Dutzende freigelassen – viel gesprochen haben sie seither aber nicht. Das ist bislang über ihre Gefangenschaft bekannt.
Publiziert: 27.11.2023 um 16:36 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2023 um 21:49 Uhr
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Melissa MüllerRedaktorin News

Seit Freitag wurden 58 Geiseln von der Hamas freigelassen, im Gegenzug für 150 palästinensische Gefangene. Bilder der Freilassungen gingen um die Welt. Im Westjordanland feierten Palästinenser ihre Angehörigen auf den Strassen. Diese wiederum gaben Interviews, in denen sie über ihre Zeit in israelischen Gefängnissen berichteten. Die Rede war von medizinischer Vernachlässigung, Isolationshaft und Tränengas.

In Israel erfolgte die Freilassung der Geiseln weniger öffentlich. Bilder zeigen, wie sie mit ihren Angehörigen vereint werden, während Videos der Hamas zeigen, wie sie dem Roten Kreuz übergeben werden. Einige winken den Hamaskämpfern zu und lachen. Andere sehen erschöpft und verwirrt aus. 

Seither ist es still um die israelischen Geiseln. Interviews gab es bislang keine. Warum die Freigelassenen bislang nicht mit den Medien sprachen, ist unklar. Informationen über ihre Geiselnahme sind nur über eine Handvoll Angehörige an die Öffentlichkeit geraten.

Ruthie Munder wurde am 7. Oktober von der Hamas entführt.
Foto: keystone-sda.ch
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Nur Pita und Reis

Eine der Freigelassenen ist Ruthie Munder (78). Sie wurde am Freitag mit ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn nach Israel übergeben. Merav Mor Raviv, eine Angehörige der Familie, erzählte der «New York Times», dass ihre Familienmitglieder während der Geiselnahme bis zu acht Kilos verloren hätten, denn zu essen gab es offenbar nur Pitabrot und Reis. «Sie haben gegessen, aber nicht regelmässig», so Raviv. Ob dies beabsichtigt oder eine Folge der Nahrungsnot in Gaza war, ist unklar.

Zur israelische Zeitung «Yedioth Achronot» sagte Raviv weiter, dass ihre Familie sich nicht immer in unterirdischen Räumen aufhielt. «Sie wurden öfters an einen anderen Ort gebracht.» Teils hätten sie dabei auf zusammengeschobenen Stühlen schlafen müssen. Für den Toilettengang mussten sie bei den Wachen klopfen und warten – teils bis zu zwei Stunden. 

Der ebenso am Freitag freigelassene Thailänder Vetoon Phoome (33) scheint mehr Essen bekommen zu haben. Darauf lassen Aussagen seiner Schwester Roongarun Wichanguen hindeuten. Zu CNN sagte sie, dass ihr Bruder «sehr gut versorgt» wurde. «Er sagte, er sei weder gefoltert noch angegriffen worden und habe gutes Essen bekommen.» 

Auch Adina Moshe (72) wurde am Freitag befreit. Ihre Nichte erzählt: «Unsere Tante sagte, als sie aus dem Tunnel gebracht wurden, hatten sie Angst – sie dachten, sie würden zur Hinrichtung gebracht. Erst als sie die Busse des Roten Kreuzes sahen, wurde ihnen klar, dass sie befreit werden.» 

«Weder verletzt noch gedemütigt»

Alon Ben-David ist der leitende Korrespondent beim israelischen Channel 13. In einer Live-Sendung sagte er, dass mehrere Freigelassene berichtet hätten, dass sie «weder verletzt noch gedemütigt wurden». Stattdessen hätten die Geiseln von einer «guten Behandlung» gesprochen. Die Hamas habe sogar versucht, täglich Medikamente bereitzustellen – wenn auch nicht immer mit Erfolg. Die am Sonntag freigelassene Alma Abraham (84) hatte etwa eine Vorerkrankung, die während der Geiselnahme nicht richtig behandelt wurde. Sie ist in kritischem Zustand.

Ben-David berichtet weiter, dass die Geiseln zusammen festgehalten wurden und viel Zeit miteinander verbracht hätten. «Sie haben Treffen und Vorträge gehalten, sich gegenseitig Geschichten erzählt und Aktivitäten durchgeführt. Sie hatten das Gefühl, eine Gemeinschaft zu sein.» Von der Aussenwelt waren die Geiseln hingegen weitgehend abgeschottet. Einige durften israelisches Radio hören und erfuhren so vom Tod von Angehörigen. Andere erhielten solch tragische Nachrichten erst nach ihrer Freilassung.

«Sie sorgten dafür, dass wir sauber bleiben»

Die Berichte stimmen mit dem überein, was Hamas-Geisel Yocheved Lifshitz (85) Ende Oktober erzählte, nachdem sie bei ihrer Freilassung einem Hamaskämpfer die Hand schüttelte. Sie sagte damals, die Hamas habe sie «gut» behandelt. «Sie waren sehr freundlich zu uns. Sie haben sich um alle unsere Bedürfnisse gekümmert und auch dafür gesorgt, dass wir sauber waren», sagte sie.

Dass es den Geiseln scheinbar gut ging, mochten viele zunächst nicht glauben. Es kursierten Gerüchte, dass Lifshitz von der Hamas manipuliert wurde, oder für ihren noch immer in Gefangenschaft lebenden Mann log. Doch die Infos der jüngst freigelassenen Geiseln malen ein ähnliches Bild.

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