Attentat auf Darja Dugina – Entgleisungen von Zügen – Brandanschläge auf Rekrutierungszentren
Wie gross ist der Widerstand gegen Putin wirklich?

Die russische Nationale Republikanische Armee (NRA) hat nach dem Attentat gegen Darja Dugina angekündigt, weiteren Widerstand gegen Putin zu leisten. Was ist die NRA genau? Wie gross ist der Widerstand gegen den Kreml? Blick ordnet ein.
Publiziert: 24.08.2022 um 08:55 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2022 um 09:27 Uhr
Guido Felder

Der Anschlag auf Ukraine-Hasserin Darja Dugina (†29) am Samstag in Moskau hat die nationalistischen Russen ins Herz getroffen. Nach wie vor ist zwar nicht geklärt, wer dahinter steckt. Die Wahrscheinlichkeit aber ist gross, dass es sich um eine Aktion des Widerstands handelt.

Zum Anschlag bekannt hat sich jedenfalls die russische Untergrundorganisation Nationale Republikanische Armee (NRA). Deren Sprecher, der Exil-Russe Ilja Ponomarjow (47), sagt in einem Bekennervideo: «Dieser Anschlag schlägt eine neue Seite des russischen Widerstands gegen den Putinismus auf. Eine neue – aber nicht die letzte.»

«Republikanische Armee besteht aus ehemaligen Offizieren»
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Schmid über Dugina-Attentat:«Republikanische Armee besteht aus ehemaligen Offizieren»
Der Unmut gegen Kreml-Chef Putin im eigenen Land wächst.
Foto: AFP
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Professioneller Anschlag

Nimmt der Widerstand gegen Putin im eigenen Land nun zu? Darüber lasse sich nur spekulieren, sagen Schweizer Sicherheitsexperten, die gegenüber Blick keine Stellung dazu nehmen wollen.

Auch Russland-Experte Ulrich Schmid (56) von der Uni St. Gallen gibt sich zurückhaltend. «Man kann sich nur auf die Aussagen der NRA berufen. Sie ist nach eigenen Angaben im April gegründet worden, um Widerstand gegen den Krieg und Putin zu leisten.»

Sie setzte sich aus ehemaligen Offizieren und Militärs zusammen. «Der Anschlag auf Darja Dugina wurde jedenfalls sehr professionell ausgeführt», sagt Schmid.

Gegen Krim-Annexion gestimmt

Was ist über den NRA-Sprecher Ponomarjow bekannt? Laut Medienberichten sass der IT-Unternehmer und Blogger zwei Legislaturperioden für die links-nationalistische Partei Gerechtes Russland in der Duma. 2011 hat er die Proteste nach den Parlamentswahlen mit organisiert und 2014 als einziger Abgeordneter der 450-köpfigen Duma gegen die Krim-Annexion gestimmt.

2016 soll er in die USA geflohen sein. Grund: Ermittlungen gegen ihn wegen Veruntreuung beim Innovationszentrum Skolkowo, dem russischen Silicon Valley. Er ist auch der Gründer des kriegskritischen Senders February Morning. Zurzeit soll er mit ukrainischem Pass in Kiew leben.

Seit Kriegsbeginn kommt es in Russland auch zu aussergewöhnlichen Zugentgleisungen. Zwischen März und Juni sind 63 Güterzüge aus den Schienen gesprungen. Die Behörden sprechen von technischen Fehlern. Aktivisten sagen, dass es sich um Sabotageakte handle, mit dem Ziel, Transporte von Panzern und anderem Kriegsmaterial in die Ukraine zu verhindern.

Verzeichnet wurden auch 23 Brandanschläge auf Zentren, die Soldaten rekrutieren. So zeigt etwa ein Video, wie ein Vermummter eine Reihe von Molotow-Cocktails in den Eingang eines Gebäudes wirft.

Weitere Anschläge angekündigt

Die NRA ist die einzige Widerstandsorganisation, die bisher öffentlich in Erscheinung getreten ist. «Sonst ist mir keine organisierte Widerstandsbewegung in Russland bekannt», sagt Schmid. Kein Wunder: Wer im Widerstand ist, lebt höchst gefährlich. Schmid: «Mittlerweile drohen für Aktivitäten, die den Interessen des russischen Staates zuwiderlaufen, drakonische Strafen.» Kurz nach dem Krieg wurde ein Gesetz verabschiedet, das «Fake News» über das russische Militär mit Gefängnis von bis zu 15 Jahren sowie hohe Geldbussen bestraft.

Davon lässt sich die NRA nicht abschrecken. Ponomarjow deutete weitere Anschläge in den kommenden Monaten an – etwa gegen Regierungsbeamte und Mitglieder des Sicherheitsapparats, die «Handlanger» von Putin seien.

Allerdings gibt es auch Zweifel darüber, ob die NRA wirklich als Widerstandsorganisation existiert. Der Moskau-Korrespondent der «Welt», Pavel Lokshin (37), schreibt etwa, dass die NRA auch ein Projekt des russischen Geheimdienstes sein könnte, mit der man die Massenmobilisierung im Ukraine-Krieg rechtfertigen könnte.

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