Bewohner fühlen sich vom Vaterland allein gelassen
Italienisches Bergdorf will der Schweiz beitreten

Seit 2018 ist das italienische Dorf Monteviasco nur noch zu Fuss erreichbar. Das Seilbähnli steht wegen eines tödlichen Unfalls still. Jetzt haben die Bewohner genug: Da Italien nichts gegen ihre Abgeschiedenheit tut, fordern sie jetzt die Angliederung an die Schweiz.
Publiziert: 01.11.2022 um 18:29 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2022 um 11:18 Uhr
Carla De-Vizzi

Inmitten von Hügeln liegt auf 1650 Metern Höhe in der italienischen Lombardei das Bergdorf Monteviasco. Rustikale Steinhäuser, kleine Gassen und das friedliche Bimmeln der Kuhglocken – Idylle pur. Doch der Eindruck täuscht.

Im Örtchen oberhalb des Lago Maggiore herrscht dicke Luft. Seitdem die Seilbahn – die einzige Möglichkeit, vom Tal nach Monteviasco zu gelangen – 2018 stillgelegt wurde, könnte das Bergdorf abgeschiedener nicht sein.

Das passt den Bewohnern so ganz und gar nicht. Da die italienischen Behörden untätig blieben, nehmen die Bergbewohner ihr Schicksal nun selbst in die Hand. In einem Brief, den sie in der italienischen Tageszeitung «La Prealpina» veröffentlichen, greifen sie jetzt zur Ultima Ratio und fordern die Angliederung an die Schweiz. Die verzweifelte Bitte: «Annektieren Sie uns ans Tessin.»

Das Bergdorf Monteviasco in der italienischen Lombardei will zu der Schweiz gehören.
Foto: Google maps
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Nur noch zu Fuss über 1400 Stufen erreichbar

Eine Annexion durch die Schweiz scheine ihnen mittlerweile «die einzige Möglichkeit», die Seilbahn wieder zu öffnen, so das Dorf, das keine zwei Kilometer vom Tessin entfernt liegt. Wenn die Grenzlinie weiter nach unten gezogen würde, könnten die bürokratischen Fesseln Italiens umgangen, werden, heisst es in dem Brief weiter.

Grund für die Ausserbetriebnahme der Seilbahn war ein tragischer Unfall, bei dem der damalige Seilbahnführer ums Leben kam. Da die Bahn seit dem Unglück 2018 still steht, müssen die Bewohner von Monteviasco mit einem schmalen Pfad mit über 1400 Stufen vorliebnehmen.

Auch Sardinien wollte bereits zur Schweiz gehören

Wie das RSI schreibt, handle es sich bei der Forderung der Italiener um einen provokativen Hilferuf. Das Dorf habe nicht vor, tatsächlich das Land zu wechseln. Neu ist die Idee nämlich nicht, dass sich ausländische Regionen die Angliederung an die Schweiz wünschen.

Besonders aus der norditalienischen Region Lombardei werden immer wieder Forderungen laut. Wie die «NZZ» berichtete, wurde schon 2017 über die Angliederung gewisser lombardischer Regionen an die Schweiz spekuliert.

Doch die Bestrebungen reichen gar weiter zurück: Das Bergdorf Premana, das nur 50 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt liegt, äusserte bereits 2008 den Wunsch, zur Schweiz gehören zu wollen. Der Vorwurf lautete damals gleich wie derjenige von Monteviasco: Die Region kümmere sich zu wenig um das Bergdorf.

Doch nicht nur Norditalien kennt solche Absichten. 2014 fanden die Bestrebungen gar ihren Weg bis nach Sardinien, wie die «Luzerner Zeitung» berichtete. Die Sarden träumten davon, Teil der Schweizer Eidgenossenschaft zu werden.

Als die Zahl der Facebook-Gruppe, die für den «Canton marittimo» (Meereskanton) von 1300 auf 7600 in die Höhe schnellte, sorgten die Mittelmeerbewohner mit ihrem Wunsch, zur Schweiz zu gehören, weltweit für Schlagzeilen.

Brief hat bereits erste Reaktionen ausgelöst

Ob die Gemeinde Monteviasco mit dem Brief den gewünschten Effekt erzielen kann, wird sich zeigen. Erste Reaktionen hat das Schreiben jedoch bereits ausgelöst.

In einem Appell, der ebenfalls in der Zeitung «La Prealpina» veröffentlicht wurde, forderte der Lega-Abgeordnete Stefano Candiani (50), das langjährige Problem mit der Seilbahn in Monteviasco anzugehen: «Es ist an der Zeit, eine ernsthafte Antwort zu geben, denn es kann nicht sein, dass sich der Staat nur dann an dieses kleine Dorf erinnert, wenn ein aufsehenerregendes Ereignis stattfindet.»

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