Biden rechtfertigt Lieferung von umstrittenen Streubomben an Kiew
«Der Ukraine geht die Munition aus – und wir haben nur noch wenig davon»

Mangelnde Schlagkraft an der Front und erschöpfte Munitionsbestände: US-Präsident rechtfertigt die Lieferung von geächteten Streubomben an die Ukraine. Biden spricht von einer Überganglösung, bis wieder genügend konventionelle Munition produziert werden könne.
Publiziert: 08.07.2023 um 02:34 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2023 um 09:57 Uhr

Schweren Herzens habe er sich dazu durchgerungen, der Ukraine Streumunition zu liefern. Das sagt US-Präsident Joe Biden (80) in einem Interview mit CNN, das am Sonntag ausgestrahlt wird. Den Entscheid habe er gefällt, weil Kiew und auch Washington die normale Munition ausgehe – und weil die Ukraine mehr Schlagkraft an der Front benötige.

«Dies ist ein Krieg, in dem es um Munition geht. Und die Munition geht ihnen aus, und wir haben nur noch wenig davon», so der US-Präsident. Schliesslich habe er die Empfehlung des Pentagons angenommen. Während einer Übergangszeit werde die Ukraine diese Waffen bekommen.

Biden: «Es war eine sehr schwierige Entscheidung für mich.» Doch «den Ukrainern geht die Munition aus.»

Es sei eine sehr schwierige Entscheidung für ihn gewesen, grünes Licht für die Lieferung von Streubomben an die Ukraine zu geben, so US-Präsident Joe Biden.
Foto: DUKAS
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Biden: Streubomben stärken Schlagkraft der Ukraine

Biden betont, Streumunition sei auch erforderlich, um die Kampfkraft der ukrainischen Gegenoffensive zu erhöhen. «Das Wichtigste ist, dass sie die Waffen haben, um die Russen jetzt zu stoppen.» Er denke, dass die Ukrainer diese Waffen «brauchen».

Die von den USA an die Ukraine gelieferten Streubomben sind mit den ebenfalls von Washington gelieferten 155-mm-Haubitzen kompatibel. Diese wichtige Artillerie hatte es der Ukraine im letzten Jahr ermöglicht, Gebiete zurückzuerobern.

Biden betont, die Streumunition werde als «Übergangslösung» geschickt, bis die USA in der Lage seien, genügend 155-mm-Geschosse zu produzieren.

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Scharfe Kritik aus Moskau

Eine Antwort des Kremls auf Washingtons Kehrtwende bezüglich der Lieferung solcher Waffen steht noch aus. Grigory Karasin (73), Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten von Russlands Föderationsrat, versprach in einer ersten Stellungnahme eine harte Reaktion. Gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Novosti sprach Karasin am Freitag von einem «neuen Schritt in Richtung Eskalation um die Ukraine, auf die sehr hart reagiert werden wird».

Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow (68), sagte in der Nacht zum Samstag: «Washington erhöht seinen Einsatz in dem Konflikt weiter.» Auch ohne die Streumunition seien die USA tief verstrickt in den Konflikt und brächten «die Menschheit näher an einen neuen Weltkrieg», wird Antonow vom Aussenministerium in Moskau zitiert.

«Streumunition ist eine Geste der Verzweiflung», sagte Antonow weiter, was nur die «Ohnmacht der Vereinigten Staaten» offen lege. Washington wolle die «eigenen Rückschläge und das Scheitern der ukrainischen Offensive nicht wahrhaben». Daher begingen die USA «neue Wahnsinnstaten».

Umstrittene Wahllos-Killer

Streubomben waren erstmals im Zweiten Weltkrieg im Einsatz. Im Vietnam-Krieg setzten die Amerikaner auf die sogenannten «Gänseblümchenschneider», die in der Luft gezündet werden und Hunderte von Submunitionen über weite Flächen verteilen. Die Submunition besteht aus kleinen Minibomben.

Viele von ihnen explodieren nicht sofort und bleiben am Boden liegen, sodass sie noch lange nach Beendigung des Konflikts eine Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen. Nach Angaben der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch liegt der Anteil der nicht explodierten Submunition bei rund sieben Prozent.

Noch heute sterben Menschen im ehemaligen Indochina an solchen im Erdreich schlummernden Sprengsätzen. Die Ukraine wirft Russland den Einsatz von Streubomben seit Beginn des Krieges im Februar letzten Jahres vor.

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