«Bin enttäuscht von den Jungen»
Molkerei stellt nur noch über 60-Jährige ein

Ein Unternehmer aus Südtirol stellt in einem seiner Betriebe nur noch Menschen über 60 ein. Mit der Leistung von jüngeren Angestellten ist er unzufrieden.
Publiziert: 14.12.2023 um 15:44 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2023 um 16:54 Uhr
In einer Molkerei aus Südtirol werden ältere Arbeitnehmer wertgeschätzt.
Foto: Instagram / brazzalespa
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Oft stehen ältere Generationen bei der Jobsuche vor grossen Hürden. So erzählte etwa HR-Manager Thomas Liedtke (59) Blick, dass er sich für 250 Jobs bewarb – und nur Absagen erhielt. Auch der gelernte Koch Volker Joh (59) erhielt über 30 Absagen innerhalb von sechs Wochen.

Ein Unternehmer (61) aus Südtirol macht es anders. Roberto Brazzale leitet mit seinen Brüdern in siebter Generation eines der ältesten Molkereiunternehmen Italiens. In einem Unternehmungszweig der Brazzale AG wurde die Entscheidung getroffen, nur noch Personen über 60 einzustellen. Brazzale findet: «Die 60-Jährigen von heute sind die neuen 40-Jährigen.» Mit Angestellten im Alter zwischen 20 und 30 war der Unternehmer nicht zufrieden. «Ich bin enttäuscht von den Jungen, die Alten hingegen sind voller Energie», sagt er zu «Südtirol News».

«Wir schwänzten gemeinsam die Schule»

Brazzale möchte allerdings nicht als Held gesehen werden. Für ihn sind ältere Angestellte wertvolle Mitarbeiter. «Mir geht es nicht darum, eine gute Tat zu tun. Das sind alles Profis mit vielen Fähigkeiten, die wir sonst nirgendwo finden würden», sagt er zur Zeitung. Auch betont er, dass es sich bei seinen Angestellten nicht um Menschen handelt, die «auf ihre Pensionierung warten», sondern um Leute, die «mitten im Arbeitsleben stehen, in ihren Bereichen echte Fachkräfte sind, starke kommunikative Fähigkeiten besitzen und die Lust mitbringen, sich einer neuen Herausforderung zu stellen».

Mit vielen seiner gleichaltrigen Arbeiter pflegt der Italiener zudem ein jahrelanges persönliches Verhältnis. «Ich erfuhr, dass einige Freunde und Bekannte in meinem Alter mit ihrer Arbeit nicht zufrieden waren und den Wunsch nach einer Veränderung hegten», so Brazzale. Schliesslich nahm er so seine ehemaligen Schulkollegen Ugo, Alessandro und Sonia in die Firma auf. Er scherzt: «Als wir Kinder waren, schwänzten Sonia und ich gemeinsam die Schule. Heute kümmert sie sich um die Verwaltung und das Lager.»

Der Unternehmer bereut seine Entscheidung, Gleichaltrige einzustellen, nicht. «Sie im Unternehmen willkommen zu heissen, war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können.» Denn selbst wenn es zu Konflikten auf der Arbeit kommt, sind diese schnell vergessen. «Dank der alten Freundschaften schafft man es, Spannungen zu überwinden. Spätestens vor dem Kaffeeautomaten ist die Welt wieder in Ordnung.» (mrs)

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