Stürzt jetzt Trumps Richter?
Opfer sagt gegen Kavanaugh aus

Heute geht es für Brett Kavanaugh um alles oder nichts. Trumps Richterkandidat wird heute gemeinsam mit einem seiner mutmasslichen Opfer, vor dem Justizausschuss des US-Senats angehört. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zur Anhörung, die seit 16 Uhr läuft.
Publiziert: 27.09.2018 um 13:20 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:22 Uhr
Nicola Imfeld, San Diego

In Washington DC kommt es heute zum Showdown. Und für einmal ist Donald Trump (72) weder mittendrin noch dabei. Der US-Präsident schaut sich die Anhörung (16 Uhr MESZ) seines Schützlings Brett Kavanaugh und dessen mutmasslichem Missbrauchsopfer Christine Blasey Ford im Fernsehen an, wie er selbst ankündigte.

Die Psychologie-Professorin aus Kalifornien beschuldigt Kavanaugh der sexuellen Belästigung. Er soll vor über 30 Jahren an einer Party versucht haben, sie zu vergewaltigen. BLICK beantwortet vor dem Richter-Showdown die zehn wichtigsten Fragen:

1. Worum geht es? 

Nachdem Anthony Kennedy im Juni seinen Rücktritt als Richter des obersten US-Gerichtshofs angekündigt hat, lag es an Donald Trump, einen Ersatz vorzuschlagen. Unter grossem Getöse nominierte er Mitte Juli den konservativen Richter Brett Kavanaugh als Kennedy-Ersatz. Der Justizausschuss des US-Senats und die Kammer selbst müssen die Nominierung des Präsidenten nun bestätigen. Die Republikaner stellen nach dem Tod von John McCain (†81) insgesamt 50 Senatoren, die Demokraten 49. Eine einfache Mehrheit genügt, um Kavanaugh für den Supreme Court zu bestätigen

2. Warum kommt es jetzt zu einer Anhörung?

Kavanaugh muss sich seit anfangs September immer wieder den Fragen der Senatoren stellen. Vor allem die Demokraten gingen Trumps Schützling hart an. Nachdem seine Bestätigung aber nur noch Formsache schien, tauchten am 14. September im Magazin «The New Yorker» erstmals sexuelle Belästigungsvorwürfe gegen ihn auf. Zwei Tage später veröffentlichte die «Washington Post» ein Interview mit Christine Blasey Ford, die sich darin als Opfer Kavanaughs outete. 

Als Konsequenz dieser Entwicklungen wurde die Schlussabstimmung verschoben. Nach einigem Hin und Her mit ihren Anwälten, erklärte sich Blasey Ford am vergangenen Sonntag bereit, vor dem Justizausschuss des Senats auszusagen. 

3. Was sind die konkreten Anschuldigungen? 

Christine Blasey Ford und Brett Kavanaugh sollen 1982 auf der gleichen Schülerparty gewesen sein. Dort soll der heutige Richterkandidat betrunken gewesen sein und versucht haben, die damals 15-Jährige zu vergewaltigen. Kavanaughs Jugendfreund Mark Judge soll damals mit im Raum gewesen sein. Blasey Ford gibt an, dass sie sich von Kavanaugh befreien konnte und ins Badezimmer flüchtete.

4. Gibt es noch weitere Fälle?

Ja - sagen mehrere Frauen. Eine frühere Mitstudentin Kavanaughs sagte dem Magazin «The New Yorker», Kavanaugh habe sich Anfang der 80er Jahre bei einer Studentenparty plötzlich vor ihr ausgezogen und ihr seinen Penis ins Gesicht gestreckt. 

Und dann ist da auch noch Julie Swetnick. Sie sagt, Kavanaugh habe mit seinem Jugendfreund und weiteren Kumpanen anfangs der 80er-Jahre gezielt Frauen mit Alkohol abgefüllt oder unter Drogen gesetzt. Anschliessend hätten sie ihre Opfer missbraucht. 

Gestern berichtete die «New York Times» über einen vierten Fall. In einem anonymen Brief an den republikanischen Senator Cory Gardner schreibt eine Frau, dass ihre Tochter Zeuge von Kavanaughs Gewalttaten war. Sie hätte ihn 1998 in einer Bar beobachtet, wie er eine Frau betrunken gegen eine Wand schob und sich «sehr aggressiv und sexuell» verhalten hatte. 

5. Was sagt Kavanaugh zu den Anschuldigungen?

Er streitet alles konsequent ab. «Ich habe niemals jemanden sexuell belästigt», sagte Kavanaugh in einem TV-Interview auf dem Sender Fox News am Montag. Er habe Frauen immer mit Würde und Respekt behandelt, erklärte er. Kavanaugh bestritt in dem Interview, auf der Party gewesen zu sein.

6. Was sagt Donald Trump? 

Der US-Präsident hat in den letzten Tagen seinen Richterkandidaten stets verteidigt. Er bezeichnete die erhobenen Belästigungsvorwürfe gegen Kavanaugh als «völlig politisch motiviert». Damit spielt Trump auf die Verzögerungstaktik der Demokraten an, die die Schlussabstimmung möglichst bis nach den Halbzeitwahlen anfangs November hinauszögern wollen. Denn dann könnten sich die Mehrheitsverhältnisse womöglich ändern – und somit eine Kavanaugh-Wahl verhindert werden.

7. Wie läuft die Anhörung ab?

Der Justizausschuss mit 21 Senatoren und Rachel Mitchell, eine externe Staatsanwältin aus Arizona, werden den Ausführungen von Blasey Ford lauschen. Rachel Mitchell wird die Befragung übernehmen. Sie befasst sich seit vielen Jahren mit Sexualdelikten. Blasey Ford wird zuerst aussagen, danach ist Kavanaugh an der Reihe. Er wird sich gegen die Anschuldigungen verteidigen müssen.

8. Und was passiert nach der Anhörung? 

Am Freitagmorgen (15.30 Uhr MESZ) stimmt der Justizausschuss des US-Senats voraussichtlich ab. Elf Republikaner haben gegenüber zehn Demokraten eine hauchdünne Mehrheit. Übersteht Kavanaugh diese Hürde, muss er noch von der gesamten Kammer bestätigt werden. 

9. Wie stehen die Chancen für Kavanaugh? 

40/60. Schon vor der Anhörung ist klar, dass Kavanaughs Bestätigung ernsthaft in Gefahr ist. Die Demokraten werden geschlossen gegen Kavanaugh stimmen. Dementsprechend braucht er alle Republikaner auf seiner Seite, die im Justizausschuss aber auch im Senat nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit haben. Die republikanische Senatorin Susan Collins soll Bedenken geäussert haben. Auch die Republikaner Jeff Flake und Lisa Murkowski sollen sich unschlüssig sein.

10. Warum ist die Richter-Wahl so relevant?

Das Oberste Gericht ist politisch sehr wichtig. Nicht selten hat das Gericht in aktuellen Auseinandersetzungen das letzte Wort. So etwa auch bei den grossen Themen, an denen sich die gesellschaftliche Spaltung der USA aufzeigt: Abtreibung, Einwanderung oder Waffenbesitz. Die Entscheidungen sind oft von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre. Hinzu kommt: Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Mit der Kandidatenwahl kann ein Präsident die Mehrheitsverhältnisse so auf lange Zeit beeinflussen.

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