Brasiliens scheidender Präsident fliegt nach Florida, statt Amtsgeschäfte an Nachfolger Lula zu übergeben
Bolsonaro macht einen auf Trump

Vor der Vereidigung seines Nachfolgers fliegt der scheidende brasilianische Präsident Bolsonaro nach Florida. Seine Absenz bei der Amtsübergabe erinnert an den Ex-US-Präsidenten Trump. Auch der zeigte seinem Nachfolger die kalte Schulter. Empfängt er jetzt Bolsonaro?
Publiziert: 31.12.2022 um 04:38 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2022 um 09:40 Uhr

Bereits zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (67) das Land verlassen. Er sei von der Präsidentenresidenz Palácio da Alvorada zur Luftwaffenbasis der Hauptstadt Brasília gefahren und dann mit einer der Präsidentenmaschinen abgeflogen, berichteten lokale Medien am Freitag übereinstimmend. Demnach landete das Flugzeug für einen Tankstopp in Boa Vista im Norden des Landes und flog dann weiter nach Orlando im US-Bundesstaat Florida. «Ich bin auf dem Flug, ich bin bald zurück», teilte Bolsonaro dem Fernsehsender CNN Brasil mit.

Bolsonaros Amtszeit endet an Neujahr, dann wird sein linker Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva (77) vereidigt. Zuletzt hatte sich bereits abgezeichnet, dass der rechte Staatschef entgegen der Gepflogenheiten nicht an der Amtsübergabe teilnehmen würde.

Der auch «brasilianischer Trump» genannte und abgewählte Politiker folgt damit ganz in die Fussstapfen des ebenfalls abgewählten ehemaligen US-Präsidenten, mit dem Bolsonaro eine öffentlich bekannte und langjährige Beziehung pflegt. Auch Donald Trump (76) hatte der Amtseinführung von seinem Nachfolger eine Absage erteilt. Vor seiner Abreise wetterte auch Bolsonaro – wie Trump – über unfaire Wahlen. Die Niederlage will er offiziell nicht eingestehen.

Keine Lust auf die Amtsübergabe am Sonntag an seinen gewählten Nachfolger Lula: Der scheidende brasilianische Präsident Jair Bolsonaro reist kurz vor Amtsende in die USA – nach Florida.
Foto: Keystone
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Besuch in Mar-a-Lago?

Bolsonaros Mitarbeiter, die ihm auch nach dem Ende seiner Amtszeit zustehen und mit Steuergeld bezahlt werden, liessen sich für den gesamten Januar eine Reise in die Vereinigten Staaten genehmigen. Bolsonaro wurde von seiner Ehefrau Michelle (40) und der gemeinsamen Tochter Laura begleitet. Seine beiden erwachsenen Söhne Flavio und Carlos weilen Medienberichten zufolge bereits in Florida.

Was genau hinter Bolsonaros Reise in die USA steckte, war zunächst unklar. Einem Bericht des Nachrichtenportals G1 zufolge sollen seine Anwälte dem Präsidenten geraten haben, Brasilien noch vor Ablauf der Amtszeit zu verlassen. Offenbar fürchteten sie, der Staatschef könnte für die teils gewaltsamen Proteste seiner Anhänger nach Lulas Wahlsieg verantwortlich gemacht werden. Dass er aber ausgerechnet nach Florida fliegt – zu Trump, der dort in seinem Mar-o-Lago-Anwesen lebt?

Seit seiner Wahlniederlage Ende Oktober war Bolsonaro kaum noch in Erscheinung getreten. Am Freitag verabschiedete er sich mit einer Videobotschaft bereits von seinen Anhängern. Dabei zog er eine positive Bilanz seiner Amtszeit: Er habe die Wirtschaft angekurbelt, das Waffenrecht liberalisiert und die Kraftstoffpreise gesenkt, sagte Bolsonaro. «Werde ich sagen, dass ich der beste Präsident der Welt war? Das werde ich nicht. Aber ich habe mein Blut gegeben.»

Lulas Brasilien sei «kaputt»

Den Wahlsieg seines Kontrahenten Lula hat Bolsonaro bislang nicht ausdrücklich anerkannt. Lulas Regierung sei jetzt schon «kaputt», sagte Bolsonaro in der Videobotschaft. Sein Nachfolger werde Schwierigkeiten mit dem nun konservativeren Parlament bekommen, und Teile der Bevölkerung, die für Lula gestimmt haben, bereuten dies bereits.

Zuletzt hatten radikale Bolsonaro-Anhänger vor Kasernen kampiert und ein Vorgehen des Militärs gegen die Regierung des künftigen Präsidenten gefordert. Bolsonaro sagte in seiner Ansprache, er habe nichts damit zu tun. Ausserdem verurteilte er einen gescheiterten Sprengstoffanschlag eines seiner Sympathisanten als terroristischen Akt.

Vizepräsident Hamilton Mourão (69) sagte dem Nachrichtenportal G1, er werde die Regierungsgeschäfte übernehmen, sobald Bolsonaro das Land verlassen habe. «Ich trete mein Amt an, sobald Bolsonaros Flugzeug den brasilianischen Luftraum verlässt. Bis zum Amtsantritt von Präsident Lula wird alles friedlich und ruhig im Lande sein», versicherte Mourão. Aber auch er werde die Präsidentenschärpe am Sonntag nicht an Lula übergeben. Das stehe nur Bolsonaro zu, der sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht in Brasilien aufhalten werde. (kes/SDA)

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