Britischer Impfstoff-Experte fordert
«Die Massenimpfung sollte jetzt beendet werden»

Der ehemalige Vorsitzende der britischen Impfstoffproduktions-Taskforce ist der Meinung, dass die breite Bevölkerung nach dem Booster nicht weiter geimpft werden soll. Das Virus sollte stattdessen wie eine Grippe behandelt und Massnahmen entsprechend angepasst werden.
Publiziert: 10.01.2022 um 18:54 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2022 um 20:53 Uhr

Die Corona-Zahlen sind wegen der Omikron-Variante in vielen Ländern so hoch wie nie. Während Israel gewissen Bevölkerungsgruppen bereits die vierte Impfdosis verabreicht, fordert Clive Dix, der ehemalige Vorsitzende der britischen Impfstoffproduktions-Taskforce, nun ein Überdenken dieser Covid-Strategie.

«Die bevölkerungsbezogene Massenimpfung im Vereinigten Königreich sollte jetzt beendet werden», sagte der Wissenschaftler zum «Observer». Der Experte unterstützt die derzeitige Auffrischungsimpfung, aber es sei eine «neue gezielte Strategie» erforderlich, um «Covid zu kontrollieren».

Covid solle wie ein grippeähnliches Virus behandelt werden. «Wir sollten überlegen, wann wir die Tests einstellen, und Menschen nur isolieren, wenn es ihnen nicht gut geht. Fühlen sie sich bereit, sollen sie wieder zur Arbeit zurückkehren können – wie wir es in einer schlechten Grippesaison tun.»

Der ehemalige Vorsitzende der britischen Impfstoffproduktions-Taskforce, Clive Dix, fordert ein Überdenken der Covid-Strategie.
Foto: Screenshot Express News
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«Krankheit in den Griff bekommen, nicht die Verbreitung des Virus»

Dabei habe vor allem der Schutz von gefährdeten Menschen Priorität. Deshalb empfiehlt Dix, die Forschung zur Covid-Immunität zu unterstützen, die über Antikörper hinausgeht und auch B-Zellen und T-Zellen (weisse Blutkörperchen) einschliesst. Dies könne dazu beitragen, Impfstoffe für gefährdete Menschen zu entwickeln, die spezifisch für Covid-Varianten sind.

«Wir müssen jetzt die Krankheit in den Griff bekommen, nicht die Verbreitung des Virus. Das Ziel für die Zukunft ist es also, das Fortschreiten der schweren Krankheit bei gefährdeten Gruppen zu verhindern», so Dix.

Seine Äusserungen zur Beendigung der Massenimpfungen kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem der Gemeinsame Ausschuss für Impfungen und Immunisierung in England entschieden hat, dass eine vierte Dosis derzeit nicht erforderlich ist. Nach Angaben der britischen Gesundheitsbehörde liegt der Schutz bei Über-65-Jährigen drei Monate nach einer Booster-Impfung bei etwa 90 Prozent.

Zahlen einen «furchtbaren Preis»

Ob eine vierte Impfung nötig wird, hängt laut Eleanor Riley, Professorin für Immunologie und Infektionskrankheiten, davon ab, ob eine weitere Variante auftaucht. «Eine vierte Dosis oder eine zweite Auffrischung des bestehenden Impfstoffs wird wahrscheinlich nicht viel bewirken», sagte sie. Es sei erwiesen, dass die Immunität gegen einen schweren Krankheitsverlauf viel länger anhalte.

«Die einzige Rechtfertigung für eine zweite Auffrischungsimpfung für die Mehrheit der Bevölkerung wäre, wenn es eindeutige Beweise dafür gäbe, dass Menschen fünf oder sechs Monate nach ihrer Auffrischung mit schweren Covid-Erkrankungen im Spital landen.»

Derweil hat die Zahl der Corona-Toten in Grossbritannien die Schwelle von 150'000 überschritten. Es seien innerhalb von 24 Stunden 313 Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben, teilte die Regierung mit. Damit starben seit Beginn der Pandemie im Königreich 150'057 Menschen nach einer Ansteckung mit dem Virus. Premierminister Boris Johnson sprach von einem «furchtbaren Preis», den das Land zahle.

Viele Spitalmitarbeiter ausgefallen

Grossbritannien kämpft derzeit mit einer durch die hochansteckende Omikron-Variante getriebenen neuen Corona-Welle. Auch wenn die Zahlen der Todesfälle und der Covid-19-Patienten, die beatmet werden müssen, dabei relativ stabil blieben, ist es zu einer Überlastung britischer Kliniken gekommen.

Viele Krankenhausmitarbeiter fallen aus, weil sie sich wegen einer Corona-Infektion oder als Kontaktpersonen isolieren müssen – es fehlt deshalb vielerorts an Personal. Um den Betrieb in den Kliniken aufrechtzuerhalten, hat Johnson Soldaten zur Hilfe geholt. (gin/AFP)

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