Dahinter steckt politisches Kalkül
Erdogan gibt Westen die Schuld an Gaza-Krieg

Der türkische Präsident Erdogan wollte sich im Krieg in Israel als Vermittler inszenieren. Damit ist er gescheitert – und so schiesst er nun gegen den Westen. Grund dafür dürften die kommenden Kommunalwahlen sein.
Publiziert: 29.10.2023 um 20:14 Uhr

Nach der brutalen Attacke der Hamas-Terroristen auf Israel bot sich türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (69) als Vermittler zwischen den beiden Parteien an. Der türkische Präsident sah sich dafür in guter Position: Ankara verfügt über einen direkten Draht zu den Hamas-Führern, und auch die Beziehung zu Israel verbesserte sich in den letzten Jahren.

Vom versöhnlichen Tonfall ist nicht mehr viel übrig geblieben. Der türkische Präsident stellt am Samstag klar: Er hat sich auf die Seite der Hamas-Terroristen geschlagen. So sei das Massaker «ausschliesslich das Werk des Westens». Der Präsident spricht von einer «Kreuzzugs-Atmosphäre» und einem «Krieg zwischen Kreuz und Mondsichel». Er erinnerte an die mittelalterlichen Kreuzzüge der Europäer gegen die muslimische Herrschaft über Palästina und machte klar: Wenn der Westen sich gegen die islamische Welt wendet, werde er die Türkei gegen sich haben.

Als Vermittler nicht wahrgenommen

Erdogan kündigte an, man könne «jede Nacht unerwartet» in den Nahen Osten kommen. Mit seinen harten Worten und Drohungen bricht der türkische Präsident mit Israel. Dies, weil er in seiner Rolle als Vermittler nicht wahrgenommen wurde, schreibt Ali Babacan, ein früherer EU-Verhandlungsführer der Türkei auf X. 

Erdogan (69) hat sich im Krieg in Israel klar auf die Seite der Hamas geschlagen.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS
1/6

Während die USA und EU die Hamas als Terrororganisation einstufen, ist sie für Erdogan eine «Gruppe von Befreiern». Ausserdem würde Israel Kriegsverbrechen begehen, indem es seine Bombardierungen «gegen Frauen, Kinder und unschuldige Zivilisten» richten würde.

Tel Aviv seinerseits lässt die Kritik des türkischen Präsidenten nicht auf sich sitzen. Am Samstagabend kündigte Aussenminister Eli Cohen (51) an, alle diplomatischen Vertreter Israels aus der Türkei zurückzurufen. Auch den israelischen Bürgern in der Türkei wurde nahegelegt, das Land zu verlassen.

Erdogan macht Kundgebung zum Wahlkampf

Der Grund für Erdogans starke Rhetorik dürften laut dem «Tagesspiegel» die Kommunalwahlen in der Türkei sein. Dabei möchte er die Städte Istanbul und Ankarr, die eher die Opposition wählen, zurückgewinnen. Die Opposition kritisierte in der Vergangenheit die Annäherungsversuche von Erdogan an Israel.

Klar ist: Mit seinen Aussagen legt Erdogan die Beziehungen zu Israel auf Eis. Dies ausgerechnet nach Jahren der Annäherung und diplomatischen Fortschritten. (SDA/obf)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?