500 Neuinfektionen – aber keine neuen Corona-Toten
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Das «Wunder» von Schweden:Erstmals seit März keine neuen Corona-Toten!

Das vermeintliche Wunder von Schweden
500 Neuinfektionen – aber keine neuen Corona-Toten

Trotz hoher Infektionszahlen gibt es in Schweden erstmals seit mehr als zwei Monaten keine neuen Corona-Toten. Wie ist das möglich?
Publiziert: 01.06.2020 um 13:41 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2020 um 20:44 Uhr
Schwedens Chef-Epidemiologe Anders Tegnell ist von seinem Sonderweg überzeugt.
Foto: Screenshot (Twitter)
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Fabienne Kinzelmann

Als die Schweizer zuhause sassen, gingen die Schweden aus. In Restaurants, in Parks – selbst die Kinder durften in die Schule.

Doch der umstrittene Sonderweg rächte sich. Pro Kopf verzeichnet Schweden mittlerweile europaweit die meisten Corona-Toten. Zuletzt wuchs die internationale Kritik an Schwedens Mr. Corona Anders Tegnell. Selbst seine Vorgängerin sagte, Schweden habe den Lockdown verschlafen.

Doch Schwedens Chef-Epidemiologe hielt stur an seinem Anti-Lockdown-Kurs fest. «Die anderen Länder hatten noch gar keine Welle», behauptete er. Die habe der Lockdown nämlich jeweils verhindert. Sein Kalkül: Herdenimmunität löse das Problem langfristig. Die Infektions- und Todeszahlen seien dadurch zwar jetzt etwas länger höher – dafür müsse sich Schweden nicht vor einer zweiten Welle fürchten, weil dann schon ein Grossteil der Bevölkerung immun sei.

So rechnet sich Schweden die Statistik schön

Am Sonntag dann konnten die schwedischen Behörden endlich eine positive Nachricht verkünden: Erstmals seit März gab es innerhalb von 24 Stunden keine neuen Corona-Toten. Ein Beweis, dass Tegnells Strategie doch funktioniert?

Das Wunder von Schweden erstaunt noch mehr, wenn man es mit der Kurve der Neuinfektionen vergleicht. Die ist nämlich noch längst nicht abgeflacht. Noch immer verzeichnet Schweden im Schnitt pro Tag mehr als 500 neue Infektionsfälle.

In Deutschland und der Schweiz liegt die Sterblichkeitsrate aktuell bei etwa 5 Prozent. Der Wert beinhaltet allerdings nicht die hohe Infektions-Dunkelziffer und dass anfangs vergleichsweise wenig getestet wurde. Doch selbst lokale Studien wie etwa im Kreis Heinsberg (D), die von einer hohen Infektions-Dunkelziffer und deshalb von einer relativ gesehen niedrigeren Sterblichkeit ausgehen, rechnet man mindestens mit einer Sterblichkeitsrate von 0,37 Prozent. Selbst im bestmöglichen Fall wäre es unwahrscheinlich, dass die Zahl der Todesfälle in Schweden urplötzlich bei 0 liegt.

Was also steckt hinter dem vermeintlichen Wunder? Vielleicht ein billiger Trick, um die Zahl der Todesfälle zu kaschieren – oder schlicht eine Wochenend-bedingte Meldeverzögerung. Ein Blick auf die Statistik zeigt: Sonntags wird in Schweden generell wenig gestorben. Spätestens am Dienstag schlägt die Kurve wieder nach oben aus.

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