Foto: KARL-HEINZ HUG

Der iranische Botschafter über Berns Rolle in Nahost
«Die Schweiz spielt eine aktive und einflussreiche Rolle»

Iran und die USA stehen noch immer am Rand eines Kriegs. Botschafter Jabbari sagt, wie wichtig die Schweiz in diesem Konflikt sei.
Publiziert: 19.01.2020 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2020 um 12:49 Uhr
Irans Mann in Bern: Botschafter Haji Karim Jabbari.
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Interview: Simon Marti

Darf man ein Interview mit Irans Botschafter veröffentlichen? Immerhin vertritt Dr. Mohammad Reza Haji Karim Jabbari (58) einen Unrechtsstaat, der Oppositionelle verfolgt, Frauen unterdrückt, gegen Israel hetzt. Und doch: Wir haben zu viele Fragen an Teherans Mann in Bern. Beispielsweise zur Rolle der Schweiz im Konflikt mit den USA. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, das Gespräch zu publizieren – auch wenn Jabbaris Floskeln von Frieden teilweise schwer zu ertragen sind.

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Herr Botschafter, wie würden Sie die Beziehungen zwischen dem Iran und den USA beschreiben?
Haji Karim Jabbari: Die USA verfolgen eine Politik des maximalen Drucks und der strengsten Sanktion gegen den Iran. Trump hat sogar gedroht, unser kulturelles Erbe anzugreifen, was ein Kriegsverbrechen wäre. Und die USA haben ein feiges Attentat auf Generalmajor Qassem Soleimani verübt, das ist Staatsterror. Der Raketenangriff auf die US-Basis war eine angemessene Massnahme der Selbstverteidigung. Aber der Iran will weder Krieg noch Eskalation. Aber wir werden uns gegen jede Aggression verteidigen.

Aber Präsident Rohani will alle US-Streitkräfte aus der Region vertreiben. Das bedeutet Krieg.
Das bedeutet nicht Gewalt. Wir glauben, dass Friede, Sicherheit und Stabilität nur durch Kooperation mit allen Ländern der Region und ohne Einmischung von aussen erreicht werden können.

Die Schweiz spielt eine spezielle Rolle in diesem Konflikt. Was kann sie tun, um die Spannungen zu verringern?
Wir glauben, dass die Schweiz eine aktive und einflussreiche Rolle spielt, ja. Offen gesagt bin ich überrascht zu hören, das manche diese Rolle als die eines Briefkastens beschreiben. Das ist nicht der Fall. Auch die Überbringung von Nachrichten zwischen zwei Ländern, die keine freundschaftlichen Beziehungen pflegen, ist keine einfache Aufgabe. Das erfordert viel Exper­tise. Zudem schlägt die Schweiz eine Reihe von Plänen vor, die zu Frieden und Sicherheit in unserer Re­gion beitragen. Diese Bemühungen zwischen dem Iran, den Vereinigten Staaten oder Saudi-Arabien sind tatsächlich hilfreich.

Stehen Bundesrat Cassis und der iranische Aussenminister Sarif in Kontakt?
Die beiden Minister haben einander mehrfach getroffen. Präsident Rohani hat Bern besucht. Zusätzlich gibt es einen politischen ­Dialog mit der Schweiz. Wir haben intensive Gespräche über die Interessen unserer Länder und über interna­tionale Angelegenheiten.

Ist die Schweiz im Moment aktiv, um die Gefahr einer Eskalation zu begrenzen?
Ja. Das ist es, was die Schweiz versucht zu tun. Und wir schätzen das.

Am World Economic Forum in Davos hätte die Möglichkeit für direkte Gespräche mit den USA bestanden. Doch die iranische Delegation hat ­ihren Besuch abgesagt.
Für Treffen auf allen Ebenen mit den Vereinigten Staaten haben wir eine Bedingung: Die Wirtschaftssanktionen müssen komplett aufhören. Sie können uns nicht die Pistole an den Kopf halten und zugleich mit uns verhandeln. Das brächte kein Resultat. Die USA haben sich vom Atomdeal zurückgezogen. Wie können wir da Vertrauen in Verhandlungen haben? Wie kann jemand von uns erwarten, unter diesem ökonomischen Druck an Verhandlungen teilzunehmen?

Die Tötung von General Soleimani in Bagdad steht am Anfang der ­aktuellen Konfrontation. Er war eine Schlüsselfigur in vielen Konflikten in der Region. Was machte er überhaupt im Irak?
Generalmajor Soleimani war der Kommandant der Al-Quds-Brigaden, ein offizieller Arm der iranischen Streitkräfte. Seine Ermordung bricht das internationale Recht. Die USA bekämpfen keine Terroristen, sie bekämpfen jene, die ­gegen Terroristen kämpfen. Soleimani war eine berühmte Figur im Kampf ­gegen den Islamischen Staat. Das hat er getan in Syrien und im Irak. Ob Sie nun die Regierung in Sy­rien mögen oder nicht, es ist die legitime Regierung.

Soleimani war verantwortlich für die Organisation von Milizen im syrischen Bürgerkrieg, um ein Regime zu stützen, das seine Bürger zu Tausenden ermordet.
Das ist absolut falsch! Der Iran wurde von der syrischen und der irakischen Regierung eingeladen, um die Terroristen zu bekämpfen. Eingeschlossen jene, die in Europa geboren wurden. Ohne das Opfer des Iran und Soldaten wie Qassem Soleimani würde nun die Flagge des IS über Damaskus wehen.

Als die iranische Fliegerabwehr letzte Woche bei Teheran ein Passagierflugzeug abschoss, starb ein Paar, das in der Schweiz lebt. Haben Sie Kontakt zur Familie?
Ich kannte sie. Den Studenten habe ich zwei oder dreimal getroffen. Das war ein sehr trauriger Vorfall. Die iranische Armee hat ­offiziell die Verantwortung übernommen. Das ist nicht sehr üblich. In ähnlichen Fällen in der Geschichte akzeptierte niemand die Verantwortung. Es war ein menschliches Versagen, und die Regierung hat ­erklärt, dass alle verantwortlichen Personen vor Gericht gestellt werden.

Für einige Tage aber bestritt der Iran die Verantwortung.
Die relevanten Organisationen wie die Armee untersuchten den Fall. Es braucht mindestens zwei oder drei Tage, um zu wissen, was passiert ist.

Oder der Iran versuchte, Beweise zu verstecken.
Überhaupt nicht. Wir könnten die Sache weiterhin verschleiern. Aber wir wollten transparent sein. Nennen Sie mir ein Land, das ein Flugzeug abgeschossen hat und die Verantwortung übernimmt. Der Iran hat das getan. In nur zwei oder drei Tagen, das ist ein Rekord. Wir fühlen mit den Familien und den Opfern und unsere ­Armee hat ihr Beileid ­ausgedrückt und sich ­entschuldigt.

Nun wird im Iran wegen des Abschusses protestiert. Werden diese Demonstrationen die Parlamentswahlen im Februar beeinflussen?
Nach der Ermordung von Qassem Soleimani demonstrierten Millionen Menschen. Das zeigt die Unterstützung des iranischen Volkes für die Politik der Regierung. Sicher gibt es ein paar mit anderen Meinungen. Wir haben eine sehr gebildete Bevölkerung. Wie in jedem ­anderen Land haben ­Menschen verschiedene Meinungen und Forderungen, die sie frei äussern können.

Aber die Proteste im ­vergangenen Jahr wurden mit Gewalt ­niedergeschlagen.
Unglücklicherweise gibt es unwiderlegbare Beweise, dass, wann immer im Land protestiert wird, ausländische Interventionen in ­opportunistischer Weise stattfinden.

Menschen wurden getötet.
Sogar unser Führer sagte, dass es Opfer gab. Aber wenn Polizeistationen angegriffen werden, dann verteidigen sie sich. Wir haben ein Komitee gebildet, dass die Vorfälle untersucht. Wir haben alles Mitgefühl für die Opfer und werden alles tun, um ihre Trauer zu mildern.

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