Jamaika-Koalition in Deutschland ist gescheitert
Ist die Ära Merkel vorbei?

In Berlin sind die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition gescheitert. Deutschland steht vor schwierigen Zeiten.
Publiziert: 20.11.2017 um 11:40 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:26 Uhr
«Jetzt müssen wir mit den Tatsachen umgehen»
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Merkel nach gescheiterten Sondierungsgesprächen:«Jetzt müssen wir mit den Tatsachen umgehen»
Johannes von Dohnanyi

Vier ganze Wochen lang hatten sie darüber gesprochen, ob sie überhaupt miteinander können. Das ganze vergangene Wochenende über sassen sie noch einmal zusammen. Ein ums andere Mal war am Sonntag der
«absolut letzte Zeitpunkt» für eine Einigung verschoben worden. Dann, nur wenige Minuten vor Mitternacht, liess Christian Lindner den politischen Karibiktraum an der Spree endgültig platzen. Es sei «besser, nicht, statt schlecht zu regieren», erklärte der Vorsitzende der Freien Demokraten (FDP), Christian Lindner, und verliess mit seiner Delegation den Verhandlungssaal.

Damit sind – zwei Monate nach den Bundestagswahlen – nicht nur die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Regierung unter Beteiligung der beiden christlichen Parteien CDU/CSU, der Liberalen (FDP) und der Grünen endgültig gescheitert. Keine der an den Verhandlungen beteiligten Parteien ist ihrer politischen Verantwortung gerecht geworden. Sie haben alle versagt!

Die Zeit von Angela Merkel als Bundeskanzlerin scheint abzulaufen.
Foto: Keystone
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Die Merkel-Dämmerung hat begonnen

Seit der vergangenen Nacht steht aber auch fest: Das Ende der zwölfjährigen
Regierungszeit von Angela Merkel hat begonnen. Die Wahlverluste der Christdemokraten haben die Kanzlerin so geschwächt, dass sie sich bei den Sondierungsgesprächen nicht mehr durchsetzen konnte. Die von vielen erhoffte und gleichzeitig gefürchtete Merkel-Dämmerung hat begonnen!

«Frau Merkel ist gescheitert»
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Deutschland stehen Wochen, wenn nicht gar Monate politischer Unsicherheit bevor. Am Ende könnten die Deutschen ein zweites Mal innert sechs Monaten an die Urnen gerufen werden. Mit im Strudel der vergangenen Nacht untergehen könnte Merkels grösster Widersacher der vergangenen zwei Jahre. Horst Seehofer, der Vorsitzende der kleinen christsozialen Schwesterpartei der CDU, hatte Merkels Politik in der Flüchtlingsfrage immer wieder scharf kritisiert. Von «Staatsversagen» hatte er gesprochen. Schritt für Schritt hatte der bayerische Ministerpräsident seine CSU im Wahlkampf den Positionen der rechtspopulistischen «Alternative für Deutschland» (AfD) angenähert.

Dennoch hatte die CSU im September das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Götterdämmerung auch bei der CSU: Seehofer dürfte den Parteitag im Dezember politisch kaum überleben.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Jetzt sind die Stunden der Abrechnung und der gegenseitigen Schuldzuweisungen für das Scheitern der Sondierungsgespräche gekommen. Und im Zentrum der Kritik steht FDP-Chef Lindner: Ausgerechnet der Mann, der die Freien Demokraten wieder in den Bundestag zurückgeführt und der in den vergangenen Wochen immer wieder von der staatstragenden Verantwortung der Möchtegern-Koalitionäre gesprochen hatte. Die Erklärung, mit der er sich vom Verhandlungstisch verabschiedete, war druckreif auf einem kleinen Zettel vorformuliert. Der dramatische Abgang sei wohl geplant gewesen, heisst es jetzt in Berlin.

Am Montagmorgen gelten im politischen Berlin vor allem Christian Lindner und seine FDP als Verräter und Königinnenmörder. Die Wahrheit liegt, wie so oft, vermutlich irgendwo in der Mitte. Alle vier Parteien waren Mitte Oktober mit Maximalforderungen in die Sondierungsgespräche gestartet. Damals unvereinbar erschienen vor allem die Positionen der CSU, die eine numerisch festgelegte Begrenzung bei der Zuwanderung verlangte, und das Bestehen der Grünen auf dem Recht der Flüchtlinge auf einen Familiennachzug.

Andere Knackpunkte waren auch die vor allem von den Grünen verlangte Neuorientierung in der Verkehrs-, Umwelt- und Klimapolitik. Auch wenn Horst Seehofer und Christian Lindner jetzt versuchen, den Grünen die Schuld für das Debakel der vergangenen Nacht in die Schuhe zu schieben: Bei Licht betrachtet sind es wohl die Grünen gewesen, die die wichtigsten Kompromisse angeboten haben.

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Grosse Koalition scheint ausgeschlossen

Jetzt muss Kanzlerin Merkel am heutigen Montag bei Bundespräsident Frank Walter Steinmeier vorsprechen. Der hatte am gestrigen Sonntag alle Parteien noch einmal an ihre Verantwortung erinnert. Und vorsorglich schon einmal erklärt, dass er alles tun werde, um Neuwahlen zu verhindern. Steinmeier weiss: von einem neuen Urnengang würden vor allem die Rechtspopulisten der AfD profitieren!

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Aber viele Karten hat auch Steinmeier nicht mehr ihm Ärmel. Der sozialdemokratische Wahlverlierer Martin Schulz hat noch einmal bekräftigt, dass seine SPD für eine Neuauflage der bei den Deutschen ungeliebten Grossen Koalition nicht zur Verfügung steht. Den «Jamaika»-Traum hat FDP-Lindner beerdigt.

Und zu allem kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Angela Merkel das Handtuch wirft. Jetzt rächt sich, dass die so lange so erfolgreiche Kanzlerin keinen Nachfolger aufgebaut hat.

Deutschland stehen unruhige Zeiten bevor!

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