Diese russischen Männer werden festgehalten
Wer nicht kämpft, kommt in den Putin-Knast

Mindestens 17 russische Soldaten weigern sich, im Ukraine-Krieg zu kämpfen, und werden gefangen genommen. Derzeit werden sie in einer Strafkolonie in der «Volksrepublik Luhansk» festgehalten. Einem Ort, der von der ukrainischen Armee beschossen wird.
Publiziert: 28.07.2022 um 11:25 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2022 um 15:01 Uhr

Russische Soldaten haben keine Lust auf den Krieg im Nachbarland Ukraine. Sie legen die Waffen nieder und wollen nur noch nach Hause. Doch so einfach geht das nicht. Wer nicht kämpft, wird bestraft und gefangen genommen.

In der Stadt Krasni Lutsch, im Separatistengebiet Luhansk, befinden sich derzeit mindestens 17 russische Soldaten in der Strafkolonie Nummer 19. Das russische Investigativ-Portal «The Insider» hat die Namen der Soldaten, die allesamt zwischen 20 und 33 Jahren alt sind, publiziert.

Nach Angaben des Portals könnten insgesamt bis zu 133 Personen in dieser Kolonie festgehalten werden. Die Eltern einiger Soldaten sind mittlerweile ins Separatistengebiet gereist, um die Freilassung ihrer Kinder zu bewirken. Andere haben bei der Militärstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen die rechtswidrige Inhaftierung ihrer Kinder eingereicht.

Russische Soldaten, die sich weigern im Krieg zu kämpfen, werden in der Region Luhansk festgehalten. Unter ihnen ist nach Medienberichten auch Maxim K. (20).
Foto: VK
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Psychische und physische Gewalt

Auch das Portal «Wjorstka» erfuhr von der Gefangenschaft dieser Soldaten. Die Eltern erzählten dem Portal, dass ihre Söhne aus der Stadt Brjanka (ebenfalls in der Region Luhansk), wo sie sich seit mehreren Wochen aufhielten, in die Kolonie verlegt worden seien. Bereits in Brjanka sollen nach Angaben von «Wjorstka» mindestens 234 Personen gegen ihren Willen festgehalten worden sein, nachdem sie ihre Verträge gekündigt hatten.

«Sie stehen unter psychischem Druck. Diejenigen, die es nicht rausschaffen, werden früher oder später an die Front geschickt», sagte einer der Eltern. Die Soldaten würden aber nicht nur psychischer, sondern auch physischer Gewalt ausgesetzt werden, erzählen die Eltern.

Gefangen und unter Beschuss seitens Ukraine

Darüber hinaus besteht die Gefahr, durch eine ukrainische Rakete getötet zu werden. Denn die Stadt Krasni Lutsch – wie zahlreiche andere Gebiete im Osten und Süden des Landes – gehört zu den Zielobjekten des ukrainischen Gegenangriffs.

Mithilfe von Himars-Raketen werden unter anderem Waffen- und Munitionsdepots sowie Lager gesprengt. Nach Angaben der Soldatenangehörigen sei auch eine Kantine, wo die Soldaten verpflegt wurden, getroffen worden.

Das russische Verteidigungsministerium dementierte auf Anfrage von «Wjorstka», dass Soldaten in der Kolonie festgehalten würden.

Im Keller ohne Essen und Licht festgehalten

Allerdings berichtete bereits vor einigen Wochen die Mutter eines Soldaten, der zusammen mit 20 anderen Kameraden in Brjanka festgehalten wurde, gegenüber «Current Time», dass ihr Sohn ohne Essen und Licht im Keller sitze. Er habe es offenbar geschafft, sein Handy unbemerkt hereinzuschmuggeln und seiner Mutter Nachrichten und Fotos zu schicken.

«Sie sagten mir, dass mich keiner nach Hause schicken wird. Zuerst kommt die U-Haft, dann das Militärgefängnis und dann komme ich vors Gericht. Und der Prozess wird hier stattfinden, in Luhansk», schrieb Artjom G.* seiner Mutter Fatima G.* verzweifelt.

Gegenüber «Current Times» erzählt die Mutter, dass ihr Sohn sich in einer ehemaligen Schule, die zu einer Kaserne umfunktioniert wurde, befand. Die Kriegsverweigerer wurden von den Wagner-Söldnern bewacht. Ihre Vertragskündigungen seien nicht angenommen worden. Ob die Soldaten ihre Verträge während der Laufzeit einseitig kündeten oder sogar nach Ablauf festgehalten werden, ist unklar.

Zwar seien die Soldaten dort nicht verprügelt worden, schildert Fatima G. die Erzählungen ihres Sohnes, jedoch habe man mit ihnen «intensive Gespräche» geführt. Man habe ihnen gedroht, sie wegen Fahnenflucht hinter Gittern zu bringen, wenn sie nicht an die Front zurückkehrten.

Fast 1800 Kriegsverweigerer in Russland

Nach einiger Zeit seien keine Nachrichten von Artjom G. mehr angekommen. Wo er sich befindet, ist unbekannt. Ob er mittlerweile auch nach Krasni Lutsch verlegt wurde, ist nicht klar.

Das sind nicht die ersten Berichte über Soldaten, die Mühe haben, trotz Vertragskündigung das Kriegsgebiet zu verlassen. Vor einigen Wochen berichtete die Stiftung «Freies Burjatien» von Dutzenden Kriegsgegnern, die in der Stadt Altschewsk (ebenfalls in Luhansk) festgehalten werden sollen.

Nach Zählungen von «Wjorstka» haben sich seit Ende Februar mindestens 1793 Soldaten geweigert, am Krieg teilzunehmen. Nicht alle schafften es bis jetzt, nach Hause zu kommen. (man)

* Namen bekannt

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