Diese Woche duellieren sie sich im TV
So will Joe Biden die TV-Debatte mit Donald Trump überstehen

In der Nacht auf Freitag treten die beiden Präsidentschaftskandidaten in Atlanta zur 90-minütigen TV-Debatte an. Die Regeln sind speziell, die Konsequenzen bei Ausrutschern riesig. Das Fernseh-Duell könnte die Vorentscheidung im Rennen um das Weisse Haus bringen.
Publiziert: 25.06.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2024 um 06:58 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Viereinhalb Monate ist das Finale des US-Präsidentschaftswahlkampfs noch entfernt. Schon in der Nacht auf Freitag aber könnte die Vorentscheidung im Rennen um das mächtigste Amt der Welt fallen: Um 3 Uhr Schweizer Zeit duellieren sich Joe Biden (81) und Donald Trump (78) in der ersten von zwei TV-Debatten in Atlanta.

90 Minuten geht die Show auf CNN, Live-Publikum gibts keines, Spickzettel sind nicht erlaubt, unterbrechen ist wegen der ausschaltbaren Mikrofone nicht möglich. Die Vorbereitung der beiden Männer auf den wichtigsten TV-Moment ihrer Karrieren könnte unterschiedlicher nicht sein. Biden setzt auf eine ganz besondere Methode, um den Trump’schen Sturm vor dem Millionenpublikum zu überstehen.

Mit seinem Berater-Team hat sich der Commander-in-Chief auf den präsidialen Landsitz Camp David zurückgezogen, um intensiv an Antworten und Botschaften zu feilen. Ein noch so kleiner Patzer, ein noch so kurzer Aussetzer vor dem erwarteten 100-Millionen-Publikum könnte seine Wiederwahlchancen arg schmälern.

In der Nacht auf Freitag stehen sich Joe Biden und Donald Trump in der ersten von zwei Präsidentschaftsdebatten gegenüber.
Foto: keystone-sda.ch
US-Präsident Joe Biden hat sich am Freitag auf das präsidiale Landgut Camp David zurückgezogen, um sich intensiv auf das Duell vorzubereiten.
Foto: keystone-sda.ch
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Ein Fake-Trump reist mit Biden mit

Deshalb reist ein Fake-Trump mit nach Camp David: Bob Bauer (72), Bidens persönlicher Anwalt. Bauer schlüpft in die Rolle von Trump und soll Biden beleidigen, herausfordern und piesacken. In 90 Minuten langen Übungs-Debatten wird er alle Kniffs aus Trumps Trickkiste auspacken, um Biden auf den Ernstfall vorzubereiten. Das Ziel: keine bösen Überraschungen in der Nacht auf Freitag!

Trump selbst verzichtet dieses Mal auf Vorbereitungs-Duelle. 2020 noch hatte er den Republikaner Chris Christie (61) engagiert, um in Übungsdebatten Biden zu mimen. «Präsident Trump gibt jede Woche zahlreiche harte Interviews und hält lange Wahlkampf-Reden im Stehen», betont sein Helfer Jason Miller. Sogenannte «Mock-Debates» habe er nicht nötig.

Das heisst aber nicht, dass Trump die Debatte auf die leichte Schulter nehmen würde. Im Gegenteil. In einer Folge des «All-In Podcasts» sagte Trump über Biden: «Er ist ein würdiger Debattengegner. Ich will ihn keinesfalls unterschätzen.»

Vor allem Bidens Auftritt in der Vizepräsidentschaftsdebatte 2012 gegen den damaligen republikanischen Kandidaten Paul Ryan (54) scheint Trump beeindruckt zu haben. «Biden hat Paul Ryan zerstört», sagt Trump fast bewundernd.

Gatorade Orange statt Kokain

Trumps Vorwurf, Biden werde von seinem Team vor der Debatte mit Aufputschmitteln oder – so schwurbelte er jüngst an einem Wahlkampfauftritt – sogar mit Kokain fitgepusht, sind haltlos. CNN aber meint zu wissen, Biden werde sich während seiner Vorbereitungen regelmässig einen Schluck seines Lieblingsgetränks Gatorade Orange gönnen.

Amerikanische Politikwissenschaftler waren sich bislang einig, dass die präsidialen TV-Debatten zwar viel Lärm, aber wenig Effekt erzeugen. Nur in ganz wenigen Fällen hätten Debatten den Ausgang der Wahlen wirklich beeinflusst.

1992 etwa, als George Bush der Ältere (1924–2018) während der Debatte gegen Bill Clinton (77) mehrfach auf seine Uhr schaute und das Bild eines desinteressierten Machtmenschen abgab. Er hat die Wahl gegen den bis dahin als Aussenseiter geltenden Clinton verloren.

Die Biden-Trump-Debatte dürfte aus mehreren Gründen eines der einflussreichsten Präsidentschaftsduelle in der US-Geschichte werden. Erstens findet die Debatte ungewohnt früh im Wahljahr statt (noch vor den offiziellen Parteitagen im Juli und August). Viele Amerikaner haben sich bislang nicht mit den US-Wahlen beschäftigt und werden in der Nacht auf Freitag zum ersten Mal ihre Augen auf die beiden Bewerber richten.

Entscheidend sind vor allem die Memes

Zweitens ist es wahrscheinlich, dass mindestens einem der beiden in die Jahre gekommenen Debattierer in den 90 Minuten ein Missgeschick passiert, das ihn in den Augen der entscheidenden Wählergruppe als unwählbar erscheinen lässt.

Und drittens dürften Kurzausschnitte aus der Debatte in den kommenden Wochen millionenfach als Video-Memes in den sozialen Medien geteilt werden und gerade bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Kurz: Einschalten lohnt sich! Die Debatte dauert gleich lang wie ein Fussballspiel. Blutgrätschen dürfte es einige geben, Rote Karten nicht, dafür weitreichende Konsequenzen, die uns alle etwas angehen.

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