«Es hat sich etwas verändert – Jugendgewalt nimmt zu»
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Gewaltexperte Dirk Baier:«Es hat sich etwas verändert – Jugendgewalt nimmt zu»

Ein Jahr nach Folter-Vorfall in Heide (D)
Jugendgruppen verbreiten noch immer Angst und Schrecken

Seit rund einem Jahr terrorisieren Jugendliche die Orte Heide und Husum im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein. Ein Teenager musste jetzt von einem Wachmann in einem Einkaufszentrum überwältigt werden. Kurz danach wurde der Syrer wieder freigelassen.
Publiziert: 15.02.2024 um 18:41 Uhr
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Marian NadlerRedaktor News

Fast ein Jahr ist es nun her, dass die Stadt Heide im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein international in die Schlagzeilen geriet. Damals hatte eine Gang ein Mädchen (13) stundenlang brutal misshandelt. Die Schlägertruppe filmte die Tat und stellte sie ins Netz. Der Bürgermeister von Heide, Oliver Schmidt-Gutzat, stellte damals Massnahmen in Aussicht und forderte ein hartes Durchgreifen gegen die Täterinnen und Täter.

Ein Ende der Jugendkriminalität ist aber auch ein Jahr nach dem Vorfall nicht in Sicht. Immer wieder begehen Teenager Straftaten oder liefern sich am helllichten Tage Schlägereien. «Bild» berichtete am Donnerstag von einem weiteren Vorfall in der nahe gelegenen Kleinstadt Husum. 

Was war passiert? Ein angebliches Mitglied der sogenannten «Heide-Gang» betrat am vergangenen Samstag das Husumer Einkaufszentrum Theo. Dort hat der Syrer (17) allerdings Hausverbot, die Shopping-Center-Securities wollten ihn hinauswerfen. Der Jugendliche wehrte sich heftig, musste mit Gewalt zur Raison gebracht werden. Vor der Rangelei soll er einen Taser geklaut haben.

Eine Gang quälte im Frühjahr des vergangenen Jahres in Heide (D) ein Mädchen.
Foto: Twitter
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Ein entsetzter Wachmann sagte zu «Bild», der Mann, der offenbar im Internet mit einer Maschinenpistole und einem Messer posiert, habe ihm mit Gewalt und Tod bedroht. «Weder Justiz noch Politik tun was. Ich habe Angst.»

Erhöhte Polizeipräsenz in Heide

Die Polizei nahm den jungen Mann mit auf die Wache. Obwohl er schon an einer Massenschlägerei am Bahnhof Heide beteiligt gewesen sein soll, liessen ihn die Beamten wenig später gehen. Kurz darauf kam der Shopping-Center-Rowdy zum zitierten Wachmann und teilte frech mit, dass die Polizei ihm nichts tun könne.

Gaffer filmt, wie 13-Jährige ein Mädchen krankenhausreif prügeln
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Am Bahnhof Rastatt (D):Gaffer filmt, wie 13-Jährige ein Mädchen krankenhausreif prügeln

Was sagt die Stadtverwaltung von Heide zu den Vorfällen? Pressesprecher Christoph Hecht betont auf Blick-Anfrage: «Heide ist laut der örtlichen Polizei grundsätzlich sicher.» Man habe diverse Massnahmen ergriffen, um die «besorgniserregende» Jugendkriminalität in den Griff zu bekommen. Die Polizeipräsenz wurde hochgefahren und die Jugendsozialarbeit gestärkt, ein Streetworker soll eingestellt werden. Ein neuer Sportplatz soll die Kinder zudem von der Strasse weglocken und ein Ordnungsdienst für mehr Sicherheit sorgen.

Polizei lässt Shopping-Center-Lümmel gehen

Eine «Heide-Gang» gebe es so nicht, es handele sich bei den Tätern um unterschiedliche Jugendgruppen. Heide stehe mit dem Problem nicht allein da. «Unsere Nachbarstädte haben ähnliche Probleme, vor allem an den Bahnhöfen. Das macht was mit den Menschen und dem Sicherheitsgefühl», so Hecht.

Was die Verfolgung der Täter kompliziert macht: Oft kämen die Täter von ausserhalb, Heide und Husum wirkten auf sie, wie auf viele andere Menschen, die etwa zum Einkaufen kämen, anziehend. In einem Fall sei ein Täter erst 12 Jahre alt gewesen. In Deutschland ist man erst ab dem vollendeten 14. Lebensjahr strafmündig. Bedeutet: Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren können nicht bestraft werden. «Da stossen die Strafverfolgungsbehörden an die Grenzen ihrer Möglichkeiten», gibt Hecht zu.

Die Brutalo-Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren wurden für ihre Tat zu je 50 Stunden Sozialarbeit und einem Anti-Aggressionstraining verurteilt. Sie hatten die Tat gestanden und sich für die Attacke entschuldigt. Welche Strafe den Shopping-Center-Lümmel erwartet, ist unklar.

Immer wieder kommt es in Deutschland zu Gewaltexzessen durch Jugendliche. Im Herbst 2023 quälten zwei Teenager im Alter von 14 und 15 Jahren in Horn-Bad Meinberg einen Obdachlosen zu Tode. Ende Januar tötete ein Schüler seine Mitschülerin an einem Gymnasium in St. Leon-Rot mit einem Messer.

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