«Es ist schrecklich, mitzuerleben, was hier passiert»
Schweizer Familie bekommt keine Unterstützung bei Ausreise aus dem Libanon

Die Lage im Nahen Osten wird von Tag zu Tag gefährlicher. Dem sind sich auch die 1200 Auslandschweizer im Libanon bewusst. Viele von ihnen wollen nach Hause kommen – von der Schweiz bekommen sie jedoch keine Hilfe.
Publiziert: 05.10.2024 um 16:09 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2024 um 16:54 Uhr
Die Familie Khaled will Libanon verlassen – das EDA hilft jedoch nicht.
Foto: SRF
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Natalie ZumkellerRedaktorin News

Seit wenigen Tagen droht der Konflikt im Nahen Osten immer mehr zu eskalieren: Ein iranischer Raketenangriff auf Israel, vermehrte israelische Angriffe auf Beirut und erste Bodentruppen im Libanon. Mitten drin sind rund 1200 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die im Libanon leben.

Eine von ihnen ist Souraya Khaled. Die 30-Jährige ist Architektin und lebt mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern in Beirut. Gegenüber SRF erklärt sie die momentane Situation in der Hauptstadt: «Seit rund einer Woche ist es furchtbar. Es gibt Tag und Nacht Explosionen.» Für sie ist klar: Will sie ihren Kindern eine sichere Zukunft ermöglichen, muss sie fliehen.

«Wir haben Angst»

Dabei handelt es sich jedoch um kein einfaches Unterfangen. Während sich nämlich neben Deutschland auch Spanien und Grossbritannien bemühen, ihre Bürger und Bürgerinnen nach Hause zu bringen, betont das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dass Evakuierungsflüge für Privatpersonen nur bei unvorhersehbaren Krisen stattfinden würden. In Libanon handle es sich nicht um eine solche.

Weiter hat das EDA Schweizer Bürgerinnen und Bürger bereits im August dazu aufgerufen, das Land zu verlassen – auf eigene Gefahr und Kosten. Khaled entschloss sich damals, vorerst zu bleiben. Es sei nicht einfach, ihr Land zu verlassen. Dass der Libanon bereits zuvor ein instabiles Land war, störte sie nicht. Das Leben war noch nie einfach, manchmal fehlte der Strom oder das Wasser ging nicht, aber: «Es war okay.» Vor allem in Beirut sei es bisher sicher gewesen.

Vor kurzem wurde ihr Sohn drei Jahre alt. Wenn er frage, was draussen so laut ist, erklärt Khaled ihm, es sei ein Spiel. Aber die 30-Jährige weiss, wie sehr sich die Situation zuspitzt. «Es ist schrecklich, mitzuerleben, was hier passiert. Es gab schon zwei Explosionen mitten in Beirut. Jetzt haben wir Angst».

Via Türkei oder mit dem Boot nach Zypern

Seither wird die junge Mutter von der Frage «Was, wenn unser Haus als Nächstes getroffen wird?», begleitet. Khaled, deren Eltern über 30 Jahre im Aargau und in Zürich wohnten, wurde in der Schweiz geboren und kehrte im Alter von zehn Jahren zusammen mit ihrer Familie zurück nach Libanon. 2006 flüchtete sie nach dem israelischen Einmarsch in den Libanon wieder in die Schweiz, bevor sie einige Jahre später erneut zurückkehrte.

Nun will sie im Angesicht der akuten Gefahr wieder in die Schweiz. Direktflüge gibt es momentan jedoch nicht – eine Möglichkeit wäre, via Türkei zu fliegen. Auch mit dem Boot nach Zypern zu gelangen und von dort aus in die Schweiz zu fliegen, sei eine Option. Aufgeben will sie trotz fehlender Hilfe nicht. «Wenn wir unseren Kindern hier keine sichere Zukunft geben können, dann fliehen wir. Auf jeden Fall – auch ohne Hilfe der Schweiz.»

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