Etablierte Parteien ratlos
Höhenflug der AfD in Deutschland

Die AfD befindet sich in Deutschland im Höhenflug. Einigen Umfragen zufolge liegt sie vor den regierenden Sozialdemokraten. Alle Blicke sind auf eine Wahl am Sonntag gerichtet.
Publiziert: 22.06.2023 um 05:05 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2023 um 08:11 Uhr

An diesem Sonntag dürften in der deutschen Politik viele Blicke auf den beschaulichen Landkreis Sonneberg ganz im Süden des ostdeutschen Bundeslandes Thüringen gerichtet sein. In dem Gebiet an der Grenze zu Bayern könnte bei einer Stichwahl erstmals in Deutschland ein Politiker der zum Teil rechtsextremen AfD zum Landrat gewählt werden, also zum obersten Kommunalbeamten.

Der AfD-Politiker Robert Sesselmann (50) hatte im ersten Wahlgang am 11. Juni mit 46,7 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt. Nun tritt er gegen den CDU-Mann Jürgen Köpper an. Ein Sieg in dem nur 56'000 Einwohner zählenden Landkreis wäre ein Prestigeerfolg für die vor zehn Jahren gegründete Partei, die derzeit deutschlandweit in den Meinungsumfragen einen Höhenflug verzeichnet.

AfD will Kanzlerkandidaten für Bundestagswahl 2025 aufstellen

Die AfD will für die kommende Bundestagswahl einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Auf die Frage, ob die AfD angesichts der aktuell hohen Umfragewerte über einen derartigen Schritt nachdenke, sagte Co-Parteichefin Alice Weidel am Mittwoch in der RTL/ntv-Sendung «Frühstart»: «Natürlich. Wir hätten das auch ohne diese Werte getan, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen.»

Weidel fügte hinzu, dass eine entsprechende Entscheidung auf einem Bundesparteitag gefällt werden müsse: «Das haben wir nicht alleine zu entscheiden, sondern das machen unsere Mitglieder.» Auf die Frage, ob sie sich selbst die Kanzlerkandidatur zutraue, antwortete Weidel ausweichend: «Zutrauen kann man sich viel, aber das ist völlig offen, wer dort antritt.»

In aktuellen Umfragen erreicht die AfD auf Bundesebene einen Rekordwert von bis zu 19 Prozent. Allerdings gibt es keine Bundestags-Partei, die bereit wäre, mit der AfD zu regieren. Der Verfassungsschutz hat die Partei in diesem Jahr als rechtsextremistischen «Verdachtsfall» eingestuft.

Die AfD will für die kommende Bundestagswahl einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Auf die Frage, ob die AfD angesichts der aktuell hohen Umfragewerte über einen derartigen Schritt nachdenke, sagte Co-Parteichefin Alice Weidel am Mittwoch in der RTL/ntv-Sendung «Frühstart»: «Natürlich. Wir hätten das auch ohne diese Werte getan, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen.»

Weidel fügte hinzu, dass eine entsprechende Entscheidung auf einem Bundesparteitag gefällt werden müsse: «Das haben wir nicht alleine zu entscheiden, sondern das machen unsere Mitglieder.» Auf die Frage, ob sie sich selbst die Kanzlerkandidatur zutraue, antwortete Weidel ausweichend: «Zutrauen kann man sich viel, aber das ist völlig offen, wer dort antritt.»

In aktuellen Umfragen erreicht die AfD auf Bundesebene einen Rekordwert von bis zu 19 Prozent. Allerdings gibt es keine Bundestags-Partei, die bereit wäre, mit der AfD zu regieren. Der Verfassungsschutz hat die Partei in diesem Jahr als rechtsextremistischen «Verdachtsfall» eingestuft.

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Bei der Bundestagswahl 2021 war die AfD (Alternative für Deutschland) mit 10,3 Prozent nur fünftstärkste Kraft. Nun liegt sie mit Werten von bis zu 20 Prozent in einigen Umfragen vor den Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz (65) und als zweitstärkste Kraft hinter den Christdemokraten von Oppositionsführer Friedrich Merz (67).

Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion. Ihre Partei befindet sich in Deutschland derzeit im Höhenflug. Mit Spannung wird eine Wahl am Sonntag erwartet.
Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler

«Unmut über überbordenden grünen Zeitgeist»

Noch höher notiert sie im Osten der Republik: In Thüringen, aber auch in Sachsen und Brandenburg könnte sie bei den Landtagswahlen im Herbst 2024 stärkste Partei werden.

Die etablierten Parteien in Berlin sind in heller Aufregung. Die regierende «Ampel»-Koalition aus SPD, FDP und Grünen und die Christdemokraten (CDU/CSU) weisen sich wechselseitig die Schuld am Erstarken der Rechtspopulisten zu, während Meinungsforscher versuchen, die Motive der AfD-Sympathisanten zu ergründen.

«Die AfD profitiert einerseits von der Sorge einer wachsenden Zahl von Bürgern über das Ausmass und die Folgen der Migration und andererseits von der Angst über die Kosten der Energie- und Klimapolitik der Regierung», sagte der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, wiederum machte in einem Interview der Tageszeitung «Welt» einen «zunehmenden Unmut über den überbordenden grünen Zeitgeist» in Deutschland als einen der Gründe für das Erstarken der AfD aus.

Flüchtlings-Thematik

Die Zahl der Asylbewerber aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder der Türkei ist in diesem Jahr wieder stark gestiegen. Dörfer und Kreise ächzen unter den Schwierigkeiten, sie unterzubringen, zumal seit Kriegsbeginn im Februar 2022 auch mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland kamen. Beim Thema Energie wiederum trieb die «Ampel»-Koalition mit ihrem ersten Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes viele Bürger auf die Barrikaden, die horrende Kosten für den Austausch ihrer Öl- und Gasheizungen befürchteten. Der Entwurf, mit dem die «Ampel» mehr Klimaschutz erreichen will, wurde nun überarbeitet.

Von diesem Unmut profitiert die AfD, die 2013 als Partei der Eurogegner gegründet wurde. Im Laufe der Jahre ist sie weit nach rechts gerückt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) hat die gesamte AfD als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln wies eine Klage der AfD dagegen ab, wogegen die Partei Berufung eingelegt hat. Der AfD-Landesverband Thüringen wird schon seit 2021 als «gesichert extremistisch» eingestuft.

Die AfD fordert, Migranten ohne Einreiseerlaubnis an der Grenze zurückzuweisen, um «das Asylparadies Deutschland» zu schliessen. Dagegen will die «Ampel» Zuwanderung und Einbürgerung erleichtern. Zur Energieversorgung setzt die AfD weiter auf Kohle, Atomenergie – und russisches Erdgas. Sie wendet sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Ihr prorussischer Kurs im Ukrainekonflikt findet im Osten Deutschlands durchaus Zustimmung, hat aber nach Einschätzung Güllners nicht zum jüngsten Umfragehoch beigetragen.

AfD-Weidel: Menschen haben «Ampel» satt

Bundeskanzler Scholz nannte die AfD eine «Schlechte-Laune-Partei», die davon profitiere, dass sich viele Menschen «in einer Zeit der Umbrüche» verunsichert fühlten. Anders sieht das AfD-Co-Chefin Alice Weidel (44). «Was sich hier widerspiegelt, ist, dass die Menschen es satthaben, das alles mit sich machen zu lassen, was hier aus der ‹Ampel›-Regierung kommt und natürlich auch aus der Vorgängerregierung», sagte sie vorige Woche zum Umfragehoch.

Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnen alle übrigen Parteien strikt ab. Das könnte die Regierungsbildung nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland 2024 schwierig machen. Womöglich kämen nur noch sämtliche ideologische Gräben überbrückende Bündnisse aus Christ-, Sozialdemokraten, Grünen und Linken auf eine Mehrheit. Deutschland steuere «auf eine strukturelle Krise seines Parteiensystems zu», warnte das liberal-konservative Magazin «Cicero».

«Gewöhnungseffekt»

Am vergangenen Sonntag scheiterte die AfD beim Versuch, erstmals das Rathaus einer Landeshauptstadt zu erobern. Bei der Stichwahl in Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern setzte sich Oberbürgermeister Rico Badenschier (44, SPD) gegen den früheren Radiomoderator Leif-Erik Holm (52) durch. Es war aber das erste Mal überhaupt, dass es die AfD in eine Stichwahl in einer Landeshauptstadt geschafft hatte.

In Sonneberg haben am Sonntag SPD, FDP, Linke und Grüne unisono zur Wahl der CDU-Kandidaten Köpper aufgerufen. Sollte Sesselmann siegen, fürchtet der Jenaer Parteienforscher Torsten Oppelland einen Gewöhnungseffekt. «Wenn also im Kreis Sonneberg ein AfD-Mann Landrat würde und die Lichter nicht ausgehen, kann das dazu beitragen, die AfD wählbarer zu machen», sagte er der «Thüringer Allgemeinen». (SDA/kes)

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