ETH-Forscher berechnen neue Extrem-Hitzewellen
«Wir müssen das Undenkbare denken»

Forschende der ETH Zürich warnen, dass die Hitzerekorde weltweit um bis zu 7 Grad übertroffen werden könnten. Auch in der Schweiz könnte extreme Hitze drohen.
Publiziert: 22.08.2023 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 10:49 Uhr

Hitzewellen in Europa könnten im schlimmsten Fall schon heute die bisherigen Rekorde um bis zu drei Grad übertreffen. Dies zeigt eine Studie von Forschenden der ETH Zürich, die am Dienstag in der Fachzeitschrift «Nature Communications» veröffentlicht wurde. Die Intensität der aktuellen Hitzewelle in der Schweiz würde damit bei Weitem übertroffen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich haben dafür gezielt nach den Worst-Case-Szenarien gesucht, wie Studienleiter Erich Fischer auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte.

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«Es geht nicht darum, Alarmismus zu betreiben. Es handelt sich um sehr unwahrscheinliche Szenarien»
Erich Fischer, ETH-Forscher
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Das Ergebnis: Treffen bestimmte meteorologische Bedingungen aufeinander, könnte eine Hitzewelle im Grossraum Paris den bisherigen Hitzerekord um zwei bis drei Grad übertreffen. Im Grossraum Chicago wären sogar Hitzewellen von sechs bis sieben Grad über dem bisherigen Rekord möglich.

Kühe in einem ausgetrockneten See am Albulapass: Szene aus dem Hitzesommer 2003 (Archivbild).
Foto: KEYSTONE
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«Es geht nicht darum, Alarmismus zu betreiben. Es handelt sich um sehr unwahrscheinliche Szenarien», betonte Fischer. Es gehe darum, eine neue Planungsgrundlage zu schaffen. «Öffentliche Behörden oder private Firmen sollten sorgfältig testen, ob unsere Gesundheitssysteme wie Altersheime und Spitäler und Infrastruktur wie Stromversorgung oder Transportsysteme auf diese Ereignisse vorbereitet sind», sagt er weiter. 

Motivation für die Studie war laut Fischer die Rekordhitzewelle in Kanada im Jahr 2021. In der kanadischen Ortschaft Lytton erreichten die Temperaturen Höchstwerte von 49,6 Grad Celsius – rund fünf Grad mehr als je zuvor. Die Hitzewelle führte zu zahlreichen gesundheitlichen Notfällen, Hitzetoten und Waldbränden. Sie hatte auch Auswirkungen auf die Infrastruktur, insbesondere auf die Stromversorgung, da die hohe Nachfrage nach Klimaanlagen und Kühlungssystemen zu Stromausfällen führte.

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«Wir müssen das Undenkbare denken»

«Wir tendieren dazu, uns auf die schlimmsten Extreme einzustellen, die unsere Eltern oder Grosseltern erlebt haben», sagte Fischer. In der Folge des Klimawandels unterscheiden sich die Risiken heute laut dem Forscher jedoch von denen der Beobachtungsperiode. «Oft werden erst im Nachhinein von solchen Extremereignissen Massnahmen ergriffen», sagte Fischer. Das müsse sich ändern.

In der Studie argumentieren die Forscherinnen und Forscher deshalb, dass es wichtig sei, sich auf sogenannte «schwarze Schwäne» vorzubereiten. Als schwarzer Schwan bezeichnet man an der Börse ein Ereignis, das sehr unwahrscheinlich ist, aber trotzdem eintreffen kann. «Wir müssen das Undenkbare denken», sagte Fischer.

Auch in der Schweiz bis 6 Grad heisser als die aktuelle Hitzewelle

Für die Schweiz wurde die Worst-Case-Hitzewelle bisher nicht untersucht. Fischer geht aber davon aus, dass auch hier zwei bis drei Grad mehr möglich wären als bei bisherigen Rekordhitzewellen. Im Vergleich zur aktuellen Hitzewelle in der Schweiz sind gemäss Schätzung von Fischer nochmal fünf bis sechs Grad mehr möglich.

«Unendlich heiss» könne es aber nicht werden, erklärte Fischer. Ab einer gewissen Temperatur werde die Atmosphäre so labil, dass Gewitter entstehen, was die Temperaturen senkt.

In einem nächsten Schritt wollen die Forscherinnen und Forscher die Worst-Case-Szenarien für weitere Regionen untersuchen. Zudem seien auch analoge Studien zu weiteren Naturereignissen im Gange – etwa zur Trockenheit, Regenfällen aber auch Extremkälte. (SDA)

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