Experten sehen Wende in Pandemie gekommen
«Omikron ist ein Weihnachtsgeschenk»

Omikron scheint den historischen Verlauf von anderen Pandemien zu bestätigen. Diese neueste Virusvariante ist ansteckender, aber weniger krankmachend. Eine wachsende Zahl von Experten sieht die Wende in der Pandemie gekommen.
Publiziert: 03.01.2022 um 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2022 um 17:55 Uhr

Unter Gesundheitsexperten und -politikern wächst der Optimismus, dass Omikron die Wende in der Pandemie bringt. Grundbedingung dafür sei, dass die meisten Menschen immunisiert sind: geimpft oder genesen.

Corona, so die Hoffnung, soll bald endemisch werden, weil der Grossteil der Bevölkerung entweder geimpft ist oder infiziert. Das Virus bleibt hier, wäre aber nicht mehr lebensgefährlich für die Immunisierten. Fortan könnte auf viele Beschränkungen verzichtet werden. Das Leben findet zur Normalität zurück.

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Der österreichische Infektiologe Christoph Wenisch, dessen Bild um die Welt gegangen war, als er sich Ende 2020 mit Siegerfaust als einer der Ersten impfen liess, nennt Omikron gar «ein Weihnachtsgeschenk». Im Gespräch mit dem «Kurier» zeigt sich Wenisch überzeugt, dass die Covid-Mutante den Wendepunkt in der Pandemie markiert. Omikron werde «uns rasch umdenken lassen und Massnahmen – etwa ob man mit Schnupfen in die Quarantäne muss – wird man neu bewerten müssen».

Experten sehen den Wendepunkt in der Pandemie gekommen.
Foto: Getty Images
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«Licht am Ende des Tunnels»

Diesbezüglich hat Omikron bereits zu einem Umdenken geführt. In den USA, in Frankreich, Grossbritannien, Spanien und auch in manchen Kantonen der Schweiz sind Quarantänen verkürzt worden. Dahinter stehen Hoffnungszeichen aber auch die Sorge, dass die Infrastruktur wegen massenhafter Krankmeldungen zusammenbrechen könnte.

Deutschland zögert noch vor einer Verkürzung der Quarantäne, doch in einer Neujahrsbotschaft schrieb Gesundheitsminister Karl Lauterbach (58) auf Twitter: «An der Corona-Front gibt es Licht am Ende des Tunnels. Omikron wahrscheinlich etwas harmloser, immer mehr Booster-Impfungen, neue Medikamente.» Lauterbach betont: «Unsere Ungeimpften sind das Problem.»

Der österreichische Infektiologe Wenisch erinnert daran, dass es am Beginn der Pandemie geheissen habe, dass Covid-19 vom Schweregrad etwa zehn Mal so schwer wie Influenza sei. «Ende des Jahres 2020 war Covid-19 dann nur noch dreimal so schwer wie Influenza. Wenn das Virus leichter übertragbar ist, wird es weniger virulent», so Wenisch. Allerdings werde Corona nicht mehr weggehen. «Das Virus müssen wir ertragen».

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Vorreiter Israel

Die Angst vor Omikron schwindet etwas. Israel diskutiert laut dem Sender «Channel 12» darüber, ob man auf ein Modell der Masseninfektion umschwenken und damit die natürliche Durchseuchung zulassen soll – abgesichert durch Impfungen. Israelische Wissenschaftler sehen in Omikron sogar einen geeigneten Erreger, um die Pandemie mit der Infektion von Massen zu beenden.

«Keine relevante Bedrohung mehr für das Gesundheitssystem»

Zuversicht ebenfalls bei Michael Weber, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands. «Wenn sich die Omikron-Variante auch bei uns so stark durchsetzt wie in Südafrika, Grossbritannien oder Dänemark und die Infektionen so überwiegend mild verlaufen wie dort, besteht eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass die Pandemie auch hierzulande zu einer Endemie wird», sagte Weber der «Welt am Sonntag». «Das bedeutet, dass das Virus keine relevante Bedrohung mehr für das Gesundheitssystem darstellt.»

Der deutsche Virologe Martin Stürmer sieht ebenfalls Silberstreifen am Horizont: «Wir könnten es schaffen, im Frühjahr oder Sommer wieder zur Normalität zurückzukehren.» Dies könne allerdings nur unter einer Voraussetzung erreicht werden. Es brauche eine Boosterung aller Bevölkerungsteile, auch von Kindern, mit einem auf die neue Variante angepassten Impfstoff.

Holzhammer-Methode für Ungeimpfte

Auf die gleiche Strategie setzt die an der Universität Bern forschende Epidemiologin Emma Hodcroft: nicht mittels Durchseuchung, sondern mittels Durchimpfung zur Herdenimmunität. Dies sieht sie «als den einzigen Weg aus der Pandemie». Im Gespräch mit Blick betont Hodcroft, die geimpfte oder genesene Bevölkerung werde ein höheres Immunlevel haben. Dies schütze «auch teilweise vor zukünftigen Varianten».

Hodcroft «glaube nicht, dass wir für immer Booster brauchen werden. Aber möglicherweise noch ein paar in den nächsten Jahren. Jeder davon stärkt die Immunität und macht sie breiter. Für die Ungeimpften bleibe die Holzhammer-Methode, eine oder mehrere Infektionen durchzumachen. (kes)

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