«Ich will meinen Sohn auf der Kriegsgefangenen-Liste sehen»
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Mütter bangen um Söhne:«Will meinen Sohn auf der Kriegsgefangenen-Liste sehen»

Familien von vermissten Soldaten schliessen sich zusammen
Jetzt wagen die Frauen den Aufstand gegen Putin

In Russland wagen Frauen eine riskante Aktion. In einem gemeinsamen Brief wollen sie von Putin wissen, wo ihre Männer, Söhne und Brüder sind. Besonders stossend: Sie müssen selber beweisen, dass ihre Angehörigen vermisst werden.
Publiziert: 28.07.2022 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2022 um 19:54 Uhr

Aufstand der Mütter und Ehefrauen in Russland: Über 100 Familien russischer Soldaten haben sich an Präsident Wladimir Putin (69) gewandt. Sie wollen, dass ihre Söhne, Ehemänner und Brüder gesucht und gemeldet werden, die im Kriegsgebiet in der Ukraine vermisst werden.

«Wir fordern, dass unsere Angehörigen gefunden und in die Liste der vermissten Kriegsgefangenen aufgenommen werden», schreiben sie in einem Brief, den 106 Personen unterzeichnet haben.

Sie kritisieren die Arbeit der zuständigen Behörden. Es ärgert sie, dass es an den Verwandten liege zu beweisen, dass sich ihre Angehörigen in Gefangenschaft befänden oder gefallen seien. Und sie verlangen zudem, dass in jeder Region Russlands eine Stelle eingerichtet wird, die den Angehörigen bei der Suche nach den Soldaten hilft.

Sie wollen ihre Männer und Söhne zurück: Mehrere Frauen haben Putin einen Brief mit 106 Unterschriften übergeben.
Foto: RFE/RL
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Als Neuling in den Krieg geschickt

Vertreterinnen der Familien haben den Brief am Dienstag auf der Präsidialverwaltung im Kreml abgegeben. Das berichtet das amerikanische Auslandsradio «Liberty» in russischer Sprache, auch wenn der Sender in Russland gesperrt ist.

Gegenüber dem Radio sagte Irina Tschistjakowa (44), die ihren Sohn Kirill vermisst: «Ich möchte, dass die, die ihn nach nur drei Monaten in der Armee in die Ukraine geschickt haben, bestraft werden.» Sie könne kaum mehr schlafen, beruhige sich mit Tabletten und fühle sich trotz ihrer erst 44 Jahren wie eine alte Frau. Sie sei verzweifelt. «Niemand will uns zuhören.»

Anna Danilowa berichtete dem Radio, dass sie am 3. April von ukrainischer Seite die Nachricht erhalten habe, dass ihr Mann gefallen sei. Seine Einheit habe dies aber dementiert und gesagt, dass er lediglich mit einer Stichwunde im Gesicht in ein Spital gebracht worden sei. Bis heute habe sie keinen Kontakt zu ihm gehabt.

Eine weitere Frau sagte, dass sie kein Verständnis für den Einsatz in Kiew hätte. Besonders angesichts der hohen Verluste. «Es war wohl schon nötig, die russischen Rechte im Donbass zu schützen. Aber warum hat man eine Offensive in Kiew gestartet, bei der Hunderte von Soldaten sterben mussten?»

Hohe Verluste bei den Russen

In mehreren Chats haben sich die Familien zusammengeschlossen. Rund 2500 Angehörige sind Mitglied. Sie gehen ein grosses Risiko ein, denn der Kreml will nicht, dass auf die Missstände an der Front aufmerksam gemacht wird. So sind die Frauen in Moskau auch gewarnt worden. Überhaupt versucht der Kreml Kritik am Krieg und damit jeglichen Widerstand im eigenen Land so klein wie möglich zu halten.

Anfang März hatte Putin ein Gesetz unterzeichnet, das drakonische Haftstrafen bei «Falschinformationen» über die russische Armee vorsieht. Ausserdem haben die russischen Behörden seit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine den Zugang zu Online-Medien und Online-Netzwerken massiv eingeschränkt.

Bei der Invasion in die Ukraine sind bisher laut amerikanischen Quellen auf russischer Seite über 75’000 Menschen getötet worden. Moskau spricht seit 25. März von 1351 Toten, die Zahl wurde nie aktualisiert. (gf)

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