Grossbritannien hebt alle Corona-Massnahmen auf
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«Freedom» trotz Delta-Variante:Grossbritannien hebt alle Corona-Massnahmen auf

Am Montag ist «Freedom Day» – die riskante Corona-Strategie von Boris Johnson
Grossbritannien hebt alle Corona-Massnahmen auf

Während die Welt mit Sorge auf die hochansteckende Delta-Variante schaut, kündigt Boris Johnson (57) die Aufhebung aller Corona-Massnahmen an – und das in einer Zeit, in der sich in Grossbritannien die Corona-Mutante rasant ausbreitet.
Publiziert: 18.07.2021 um 19:12 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2021 um 12:23 Uhr
Myrte Müller

Abstand? No thanks. In allen Pubs ist jeder willkommen. Sogar die Maskenpflicht ist Geschichte. Am Montag ist in England «Freedom Day». Das Vereinigte Königreich hebt alle Corona-Regeln auf. Ob Grund zum Jubel oder eher zur Sorge, darüber sind sich die Briten nicht einig.

Einen Vorgeschmack zur «grossen Befreiung» gab es bereits im Juni. Während der Fussball-EM erlaubte Boris Johnson acht Spiele im Londoner Wembley-Stadion. Bis zu 60'000 Zuschauer strömten zum Final. Schreiende und singende Fans ohne Abstand und Maske. Ein Corona-Eigentor!

Tatsächlich grassiert in keinem anderen EU-Land die hochansteckende Delta-Variante so wie in Grossbritannien. 50'000 Neuinfektionen am Tag meldet das Brexit-Land. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 441 auf 100'000 Einwohnern – zwanzigmal so hoch wie die Inzidenz in der Schweiz, über 40-mal so hoch wie jene in Deutschland.

Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson und sein Kanzler Rishi Sunak waren in Kontakt mit Gesundheitsminister Sajid Javid nach dessen Corona-Infektion. Doch die beiden Torys wollen nicht in die Isolation.
Foto: keystone-sda.ch
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Gesundheitsminister mit Corona infiziert

Er setze auf Eigenverantwortung, so der Premier. Er wolle dem Bürger die Entscheidung, sich zu schützen, selbst überlassen. Die Wirtschaft müsse wieder uneingeschränkt durchstarten. Auch, wenn die Corona-Infektionen wieder steigen würden, so sei die Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle noch überschaubar. Zudem sei es Sommer, die Menschen würden sich vornehmlich draussen aufhalten und somit das Virus weniger verbreiten. Anstecken tun sich die Engländer dennoch. Auch im britischen Kabinett.

So twitterte Gesundheitsminister Sajid Javid (51) am Samstag, dass er sich mit dem Coronavirus infiziert habe. Er sei am Morgen bei einem Antigentest positiv auf das Virus getestet worden. Obwohl er vollständig geimpft ist. «Ich hatte leichte Symptome und bin jetzt in Selbstquarantäne», so der Tory in seiner Videobotschaft.

Experten warnen vor neuer Corona-Welle

In Isolation müssten nun eigentlich auch Boris Johnson und sein Finanzminister Rishi Sunak (41). Sie hatten Kontakt mit Javid und könnten sich infiziert haben. Doch die beiden Politiker möchten sich stattdessen lieber regelmässig testen lassen als sich für zwei Wochen aus dem Verkehr ziehen.

Über 1200 Mediziner und Wissenschaftler hatten in einem offenen Brief gegen die Aufhebung der Corona-Regeln protestiert. Die Experten warnen davor, dass sich Millionen noch an Corona infizieren könnten. Vor allem junge Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen seien in Gefahr.

Mit mehr Neuinfektionen rechnet auch Johnsons Regierung. Gesundheitsminister Sajid Javid erklärte, 100'000 neue Corona-Fälle am Tag seien durchaus möglich. Das Expertengremium Sage prognostiziert für die kommenden Wochen über 1000 zusätzliche Patienten in den Spitälern sowie 100 bis 200 Corona-Tote täglich.

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