Ukrainische Drohnen zerstören russische Armeeflieger
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Erneuter Angriff auf Russland:Ukrainische Drohnen zerstören russische Armeeflieger

Gegen ukrainische Drohnen
Putin errichtet jetzt Flak-Türme wie im Zweiten Weltkrieg

In Moskau wächst die Angst vor Drohnenattacken auf russische Städte. Luftabwehrsysteme werden nun auf Türme gesetzt. Was folkloristisch anmutet, ist durchaus sinnvoll, sagen deutsche Militärexperten zu Blick.
Publiziert: 05.09.2023 um 18:24 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2023 um 18:32 Uhr
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Myrte MüllerAussenreporterin News

Die Bilder im Staatssender Rossija 1 spiegeln nicht grad die hochmoderne Schlagkraft einer der angeblich stärksten Armeen der Welt wider. Sie zeigen 24 etwa 50 Meter hohe Eisentürme und Rampen, auf denen das Luftabwehrsystem «Panzir S-1» montiert wurde. Die Anlagen stehen an verschiedenen Orten in Russland und werden als neueste Verteidigungsmassnahme gegen ukrainische Angriffe angepriesen. Neu ist die Idee freilich nicht. Schon die Nazis bestückten Bunker-Türme mit Flugabwehrkanonen (Flak) gegen die Bomben der Alliierten. Die Höhe der Flak-Türme erlaubte ein freies Schussfeld.

Von Putins Flak-Türmen aus sollen ukrainische Drohnen zerstört werden, die normalerweise aufgrund ihrer geringen Grösse und ihres verhaltenen Tempos unterm Radar fliegen – und die zunehmend russische Ziele attackieren. Das nun eingesetzte, normalerweise mobile Boden-Luft-Raketensystem eignet sich für Ziele in geringer Entfernung und Höhe. Die stolze Präsentation der Türme hat noch einen anderen Zweck. «Sie sind ein optisches Signal an die Russen», sagt Ralph Thiele (69), Militärexperte am Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung (ISPSW) in Berlin. «Putin will damit sagen: Ich tue etwas zum Schutz der Bevölkerung.»

Mit Kanonen auf Spatzen schiessen

Was veraltet daherkommt, sei militärisch durchaus sinnvoll, sagt der Militärexperte zu Blick. «Im Verbund mit Hi-Tech-Sensoren und dem Einsatz von elektromagnetischen Wellen kann das Luftabwehrsystem von den Türmen aus tatsächlich Drohnen abschiessen, deren Motoren beschädigen oder deren GPS-Signale stören.» Betrachte man den materiellen Wert der Flak, werde hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Um ukrainische Drohnenangriffe besser abwehren zu können, lässt der Kreml Flak-Türme errichten, wie sie im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden.
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Die «Spatzen» aber haben es in sich. «Die Zahl der ukrainischen Drohnenangriffe auf russisches Territorium nimmt exponentiell zu. Schon heute wurden bis zu 10'000 ukrainische Drohnen eingesetzt. Es werden sehr viel mehr werden. Selenski spricht von 200'000 Drohnen im Jahr», sagt Ralph Thiele. Im Visier werden dann nicht mehr nur Kommando-Zentralen, Stützpunkte der russischen Armee sowie militärische Behörden sein, sondern zunehmend auch kritische Infrastruktur in Russland wie Stromversorgung und Schienennetz.

Auf Attacken im eigenen Land sei Russland nicht wirklich vorbereitet, meint Nico Lange (48), ehemaliger Chef des Leitungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung. «Russland ist sehr gross, fühlte sich zu sicher und hat viele Ressourcen an die Front geworfen. Deshalb ist es im Inneren verwundbar», so der Politikwissenschaftler. Putin nutze improvisierte Abwehrmassnahmen gegen Drohnen – bisher nur mit geringem Erfolg. Moderne Drohnenabwehr stehe nicht zur Verfügung, die Flugabwehr sei im Wesentlichen an der Front. «Da holt man eben altes Gerät raus. Da viele der Drohnen niedrig und langsam fliegen, kann man mit älterem Gerät sogar etwas dagegen bewirken», so der deutsche Militärexperte.

«TV-Sendung über Flak-Türme war keine gute Idee»

«Die Flak-Türme sind am Ende nicht mehr als eine Behelfslösung», sagt Ralph Thiele. Sie könnten allenfalls rund 30 Prozent der ukrainischen Drohnenangriffe abwehren. Der Berliner Oberst a.D. verfolgt mit Sorge die Entwicklung der Drohneneinsätze: «Sie sorgen für eine weitere Eskalation im Ukraine-Krieg.» 

Auch wenn die Flak-Türme ihre Berechtigung haben, sei es keine gute Idee gewesen, die Türme öffentlich in ihrer Umgebung zu zeigen, sagt Ralph Thiele weiter. «Die Standorte könnten lokalisiert und die Drohnen an den Türmen vorbeigelenkt werden.» So ergab die Recherche des tschechischen Journalisten Mark Krutov, dass sich eine der gezeigten Rampen-Anlagen in Zarechye befindet, knapp zehn Kilometer von Putins Residenz Nowo-Ogarjowo entfernt. Bereits im Januar 2023 hatte der Kreml Panzir-Flugabwehrsysteme auf den Dächern einiger Verwaltungsgebäude in Moskau installieren lassen.

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