Gespräche zwischen Kosovo und Serbien ohne Erfolg
Zurück zum «gefährlichen Status Quo»

Es geht nicht mehr weiter: Kosovo und Serbien sind am Mittwoch in Brüssel keine weiteren Kompromisse eingegangen, die die Lage beruhigen könnten. Das ist laut einem Experten gefährlich.
Publiziert: 04.05.2023 um 20:49 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2023 um 11:13 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Die Hoffnung auf Fortschritt im März war gross. Nun ist sie zunichtegemacht. Am Mittwoch haben sich der serbische Präsident Aleksandar Vucic (53) und der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti (48) zu Gesprächen in Brüssel getroffen. Doch die Konfliktparteien konnten sich nicht annähern. Die Situation bleibt angespannt.

Hintergrund der Gespräche sind die jüngsten Vorfälle im Nordkosovo. Bei Wahlen in mehrheitlich serbischen Gemeinden im Nordkosovo füllten nur 3,48 Prozent einen Wahlzettel gültig aus. Es ist die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte des Landes, wie das belgische Nachrichtenportal Euractiv schreibt. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission ZWK gaben nur 1567 von 45'000 wahlberechtigten Personen ihre Stimme ab.

Serbische Partei boykottiert Wahlen – Lage angespannt

Dahinter steckt ein Boykott-Aufruf der Serbischen Liste, der grössten serbischen Partei im Kosovo. Sie begründen dies mit der nicht erfüllten Forderung nach der Autonomie der serbischen Gemeinden im Kosovo. Es ist ein bekanntes Problem. Und eines, das verhindert, dass Serbien Kosovo offiziell anerkennt. «Kosovo hat aber Angst vor einer Art föderalen Einheit im eigenen Land», erklärte Daniel Bochsler (43), Politikwissenschaftler an der Central European University und der Universität Belgrad, im März gegenüber Blick. Die Angst vor einem «trojanischen Pferd» ist zu gross.

Keinen Schritt weitergekommen: Am Mittwoch trafen sich hohe Vertreter von Serbien und Kosovo in Brüssel.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Die Situation in der Region ist dementsprechend angespannt. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell (76) fürchtet sogar, dass die jüngsten Ereignisse das Potenzial zur Eskalation haben, wie er am Mittwoch sagte. Die Kosovo-Truppe (KFOR) der Nato, bei der auch die Schweiz beteiligt ist, beobachtet die Situation, wie sie gegenüber Blick bestätigt. Man sehe aktuell keine neuen Anzeichen für eine Eskalation. «Aber die KFOR ist weiterhin bereit, sich jedem Szenario zu stellen, um ein sicheres Umfeld zu schaffen.»

Keine Fortschritte in Verhandlungen – wie weiter?

Auch Florian Bieber (49), Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Uni Graz, erkennt ein gesteigertes Eskalationspotenzial. Einen bewaffneten Konflikt hält aber auch er aktuell für unwahrscheinlich, erklärt er im Gespräch mit Blick. Aber: «In dieser Situation der Unsicherheit und der rhetorischen Eskalation kann natürlich immer etwas passieren.»

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«Es ist ein gefährlicher, instabiler Status Quo, der auf Spannungen beruht.»
Florian Bieber, Kosovo-Serbien-Experte
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Das grosse Problem dabei? «Beide Seiten gehen sehr aggressiv miteinander um, und weder Serbien noch der Kosovo haben Interesse daran, die Situation zu deeskalieren», so der Experte. Das sehe man auch im aktuellen Stillstand der Gespräche zwischen den beiden Staatsoberhäuptern.

Kaum gestartet, wirkt der Prozess der Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo aber bereits wie eingefroren. Zurück zum Status Quo – das scheint aktuell die Devise zu sein im Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo. «Es ist ein gefährlicher, instabiler Status Quo, der auf Spannungen beruht», so Bieber. Und das werde vorerst wohl auch so bleiben. «Ich bin pessimistisch, dass es da wirklich einen Durchbruch geben wird.»

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