Hitze-Horror in USA
Häftlinge verstopfen Toiletten, um sich abzukühlen

Nicht nur bei uns ist es verdammt heiss, sondern auch in den USA. Darunter leiden besonders Häftlinge. Um sich abzukühlen, greifen manche zu drastischen Massnahmen und verstopfen ihre Toiletten.
Publiziert: 12.07.2023 um 09:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2023 um 13:20 Uhr

Mehr als 50 Millionen Menschen im Süden der USA leiden derzeit unter einer Hitzewelle. Für viele gibt es kein Entrinnen vor den hohen Temperaturen und das gilt besonders für die Gefängnisinsassen im Bundesstaat Texas. In den Haftanstalten aus Beton und Stahl staut sich trotz Ventilatoren die Hitze auf mehr als 40 Grad.

Nach Aussage von Insassen, entlassenen Strafgefangenen und Familienmitgliedern greifen die Häftlinge zu extremen Mitteln, um die Hitze zu ertragen. Sie verstopfen die Toiletten in ihren Zellen, damit das Wasser überläuft, und legen sich zum Schlafen auf den nassen Boden. Oder sie machen ihre Kleidung nass, um sich abzukühlen.

«Ich bin einfach ohnmächtig geworden»

In den vergangenen Wochen hatte der Häftling Joseph Martire (35) nach eigener Aussage vier Zusammenbrüche wegen der Hitze im Gefängnis Estelle in Huntsville. Auch am 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA, klappte er zusammen.

Hitze-Welle in den USA: Auch dort steigen die Temperaturen weiter an. So wie hier in Kalifornien. Die Tafel zeigt 102 Fahrenheit (zirka 39 Grad).
Foto: AFP
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«Ich bin einfach ohnmächtig geworden», erzählte er seiner Familie am Telefon. «Das Gesundheitspersonal hat sich geweigert, nach mir zu sehen, und ich weiss nicht, was ich tun soll.» Seine Familie wandte sich an die Gefängnisverwaltung.

Wenn die Insassen merken, dass jemand in seiner Zelle ohnmächtig geworden ist, rufen sie nach den Wärtern. Wegen Personalmangels dauert es aber oft lange, bis jemand kommt, sagt Martire. Der überhitzte Strafgefangene wird dann in den Verwaltungstrakt der Strafanstalt gebracht, wo er sich bei laufender Klimaanlage abkühlen kann.

«Es ist unmenschlich, wie die Leute dort behandelt werden»

Die Sprecherin der texanischen Strafvollzugsbehörde, Amanda Hernandez, sagt, dass im Juni sieben Fälle behandelt wurden, die über Erste Hilfe hinausgingen. In den Gefängnissen in Texas seien im Juni insgesamt 32 Todesfälle verzeichnet worden, mit verschiedenen Todesursachen. Den letzten offiziellen Todesfall infolge von Hitze verzeichnete die Behörde, die für 126'000 Häftlinge zuständig ist, allerdings 2012.

Amite Dominick von der Initiative Advocates for Texas Community Prisons zweifelt an diesen Zahlen. «Der Gerichtsmediziner wird normalerweise so etwas wie Herzstillstand in seinen Bericht schreiben, weil ein Hitzschlag direkt mit Herzstillstand zusammenhängt», sagt sie. Dominick ist überzeugt, dass es sich angesichts der gegenwärtigen Temperaturen um hitzebedingte Todesfälle handelt.

In der Strafanstalt Lane Murray habe es im Juni drei Todesfälle gegeben, die mit der Hitze zu tun hatten, sagt Samantha, deren 25 Jahre alte Tochter dort einsitzt. «Es ist unmenschlich, wie die Leute dort behandelt werden.»

Selbst das Gefängnispersonal beschwert sich

Aktivistin Marci Marie Simmons, die selbst im Gefängnis war, sagt: «In den Sommermonaten siehst du mehrere Krampfanfälle pro Tag, die von der Hitze ausgelöst werden.» In Estelle sei ein 36-jähriger Insasse nur Stunden, nachdem er sich bei seiner Mutter über die Hitze beklagt hatte, gestorben.

«Wenn wir ein Kind oder ein Tier (bei Hitze) im Auto lassen, kommen wir ins Gefängnis. Aber Texas will unsere Gefangenen kochen», sagt Michelle Lively, deren Partner Shawn McMahon im Gefängnis Wynne einsitzt. «Manche, die sterben, haben kurze, überflüssige Strafen für Drogendelikte. Und sie werden zum Tode verurteilt, weil sie die Hitze nicht ertragen können.»

Auch das Gefängnispersonal hat sich bei Journalisten über die Arbeitsbedingungen beklagt, unter anderem über die Hitze. Ein Gesetzentwurf, der Gefängnisse mit Klimaanlagen ausstatten will, steckt im texanischen Senat fest, wie Dominick sagt. Dort verfügen die Konservativen über die Mehrheit. Dafür habe der Staat jetzt mehr als 750'000 US-Dollar (657'000 Franken) für Klimaanlagen für eine Schweinezuchtanlage ausgegeben, in der auch Strafgefangene arbeiten. «Aber für Menschen gibt es keine», sagt Dominick. (AFP/jmh)

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