Ibrahim und Khalid El Bakraoui sprengten sich in Brüssel in die Luft
Schon wieder Terrorbrüder

Nach Charlie Hebdo, den Paris-Attacken oder den Boston-Bombern verübten in Brüssel wieder Brüder Anschläge.
Publiziert: 23.03.2016 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:52 Uhr
Die Terrorbrüder schlugen in Brüssel zu: Khalid (†27) El Bakraoui sprengte sich wohl in der Station Maelbeek in die Luft...
Foto: imago
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Adrian Meyer

Sie waren polizeibekannte Schwerkriminelle und wurden zu IS-Terroristen. Gestern gab die belgische Staatsanwaltschaft bekannt: Zwei der Selbstmordattentäter von Brüssel waren belgische Brüder. Ibrahim El Bakraoui (†30) sprengte sich am Flughafen in die Luft, sein Bruder Khalid (†27) in der Metrostation Maelbeek. Beide seien anhand von Fingerabdrücken identifiziert worden, sagte der Generalstaatsanwalt. Auch der zweite Selbstmordattentäter vom Flughafen ist nun bekannt: ­Najim Laachraoui (†24). Alle drei  waren bereits in die Anschläge in Paris vom November verwickelt. Bei den Attentaten in Brüssel starben über 30 Menschen.

Was auffällt: Schon wieder handelt es sich bei den Selbstmordattentätern um ein Brüderpaar. Die El Bakraouis reihen sich in eine Gruppe westlicher Terrorbrüder ein: den «Charlie Hebdo»-Killern Chérif und Saïd Kouachi, den Boston-Bombern Tamerlan und Dschochar Zarnajew, den Paris-Attentätern Brahim und Salah Abdeslam.

Dass aus Familienbande eine Mörderbande wird, ist kein Zufall. Laut dem Thinktank «New America» hat mehr als ein Viertel der westlichen Dschihad-Kämpfer Verwandte, die sich Islamisten in Syrien oder Irak angeschlossen hatten. So rekrutierte der Drahtzieher der November-Anschläge in Paris, Abdelhamid Abaaoud, gar seinen damals erst 13-jährigen Bruder Younes für den Dschihad.

Eine weitere Studie der Pennsylvania State University untersuchte, ob bei Einzeltätern (sogenannten «einsamen Wölfen») die Familien der Attentäter von deren Vorhaben wussten. Bei erstaunlichen zwei Dritteln der Fälle erzählte der Attentäter seinen Freunden oder der Familie von seinen Absichten.

Die Erkenntnisse widersprechen der These, das Terroristen vor allem via Propaganda eine Gehirnwäsche bekommen und sie sich durch äussere Einflüsse radikalisieren. Vielmehr ist Terrorismus eine soziale Angelegenheit: Menschen interessieren sich für extremistisches Gedankengut, weil nahestehende Personen sich ebenfalls dafür interessieren.

«Bei der Rekrutierung spielen Verwandtschaft und Freundschaft die grösste Rolle – viel mehr als die Religion», sagte der belgische Professor für internationale Beziehungen an der Universität Gent, Rik Coolsaet, in einem Bericht der britischen Zeitung «The Guardian». Er untersuchte in Belgien militante Netzwerke: «Es ist ein starkes Gruppenphänomen.»

Die El-Bakraoui-Brüder standen trotz schwerer Straftaten zunächst nicht unter Terrorismusverdacht. Ibrahim wurde 2010 zu neun Jahren Haft verurteilt, weil er bei einem Einbruch mit einer Kalaschnikow auf Polizisten gefeuert hatte. Khalid wurde 2011 wegen Raubüberfällen auf Autobesitzer zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Erst nach den November-Anschlägen in Paris wurde bekannt, dass sie Teil der Terrorzelle waren, die in Pariser Clubs und Bars 130 Menschen tötete. Einer der Brüder soll laut des belgischen TV-Senders RTBF Munition und Waffen für die Paris-Anschläge geliefert haben.

U-Bahn-Bomber Khalid mietete unter falschem Namen eine Wohnung im Brüsseler Stadtteil Forest, die vergangene Woche von der Polizei durchsucht wurde. Die Ermittler fanden dort Fingerabdrücke des am Freitag festgenommenen Paris-Terroristen Salah Abdeslam.

Schlampten die belgischen Behörden? Heftige Kritik äusserte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan: Ibrahim El Bakraoui sei im Juni aus der Türkei ausgewiesen worden. Die Belgier hätten die Warnungen der Türkei, es handle sich um einen Extremisten, «ignoriert». Auch Khalid El Bakraoui wurde von Interpol gesucht. Die Anklage lautete: Terrorismus. Es half nichts – die Terrorbrüder vollendeten am Montag ungehindert ihr schreckliches Werk.

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