Astrazeneca-Impfstoff weniger wirksam
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Chaos bei der EU-Zulassung:Astrazeneca-Impfstoff weniger wirksam

Verzögerungen in der Schweiz
Keine Freigabe für Astrazeneca-Impfstoff?

Wirbel um den Impfstoff von Astrazeneca: Offenbar erreicht die Impfung bei Senioren eine Wirksamkeit von nicht einmal zehn Prozent. Auch sonst gibt es mehrere Rückschläge in Europa.
Publiziert: 26.01.2021 um 04:43 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2021 um 10:02 Uhr

Grossbritannien will bald rund um die Uhr gegen das Coronavirus impfen, in Israel geht es rasant voran, in den USA ebenfalls. Doch viele EU-Ländern hinken bei der Immunisierung ihrer Bürger hinterher. Zu wenig Impfstoff, zu späte Zulassung, zu schlechte Vorbereitung, zu viel Hin und Her – die Klagen sind vielfältig und der Schwarze Peter geht reihum. Jetzt kommt auch noch der angebliche Rückschlag um Astrazeneca dazu. Sechs Punkte:

1. Erhält der Astrazeneca-Impfstoff keine Freigabe?

Es sollte der dritte Impfstoff für Europa im Kampf gegen das Coronavirus werden: Das Vakzin des schwedisch-britischen Herstellers Astrazeneca könnte schon bald neben den Wirkstoffen von Pfizer Biontech und Moderna zum Einsatz kommen. Doch nun gibt es für die Impf-Kampagne einen Rückschlag. Denn ausgerechnet für die Hauptzielgruppe droht der Wirkstoff nicht zugelassen zu werden.

Wie mehrere deutsche Medien berichten, bekommt das Impfmittel von Astrazeneca keine Zulassung für Patienten, die älter als 65 Jahre sind. Der Grund: Bei Senioren erzielt der Impfstoff offenbar eine Wirksamkeit von nicht einmal zehn Prozent. Astrazeneca dementierte diese Meldung allerdings am Montagabend über einen Sprecher umgehend: «Die Berichte sind komplett falsch.»

Wirbel um den Impfstoff von Astrazeneca.
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Astrazeneca verwies unter anderem darauf, dass die Notfallzulassung der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel ältere Menschen mit einschliesse. Auch habe ein Beratungskomitee für Impfungen den Einsatz des Impfstoffs bei Senioren unterstützt. Zudem habe eine im November im Fachblatt «Lancet» veröffentlichte Studie gezeigt, dass der Impfstoff auch bei Senioren eine starke Immunantwort auslöse.

Allerdings heisst es in einer späteren «Lancet»-Veröffentlichung auch, dass es wegen geringer Fallzahlen in der entscheidenden klinischen Studie noch wenig Daten zur Wirksamkeit bei älteren Menschen gebe.

Erwartet wird, dass der Impfstoff am kommenden Freitag die Freigage der EU-Arzneimittelbehörde EMA erhalten wird. Ob auch für die ältere Generation, ist nun mehr als fraglich.

2. Wann bewilligt Swissmedic endlich den Astrazeneca-Impfstoff?

Auch die Schweiz könnte einige Impfdosen mehr gut gebrauchen. «Es wäre super, gäbe es mehr Impfdosen», sagt Kantonsarzt aus Basellandschaft Samuel Erny (57) zu BLICK. Die Schweiz hat die Lieferung von insgesamt 5.3 Millionen Impfdosen von Astrazeneca vertraglich zugesichert. Sofern das Vakzin bewilligt wird. Das Heilmittelinstitut Swissmedic ist für die Zulassung eines Impfstoffes in der Schweiz zuständig. Seit Anfang Oktober überprüft das Institut den Impfstoff von Astrazeneca im rollenden Verfahren.

Laut Swissmedic kann die Zulassung «in den nächsten Wochen» erfolgen. Gemäss Informationen der «NZZ» neigt auch Swissmedic zur Ansicht, dass beim AstraZeneca-Impfstoff nicht alle Fragen geklärt seien. Offiziell gibt es dazu aber keine Stellungnahme. Wenn Swissmedic weitere Daten von AstraZeneca verlangt, dauert die Bewilligung wohl noch länger. Am Montag gab Astrazeneca ausserdem bekannt, weniger Impfstoff als geplant in die EU zu liefern. Die Schweiz muss wahrscheinlich auch Verzögerungen hinnehmen.

3. Die EU-Staaten haben Zugriff auf 2,3 Milliarden Impfstoffdosen

In den Impfstoff von Astrazeneca wurde bisher auch darum so viel Hoffnung gesetzt, weil er – anders als zum Beispiel der Wirkstoff von Pfizer Biontech – weniger anspruchsvoll bei den Transportbedingungen ist und zum Beispiel weniger aufwendig gekühlt werden muss.

Die EU-Kommission hat mit sechs Herstellern Rahmenverträge über die Lieferung von insgesamt 2,3 Milliarden Impfstoffdosen geschlossen – mehr als genug für die 450 Millionen Europäer. In die Entwicklung und den Aufbau von Produktionskapazitäten hat sie 2,7 Milliarden Euro gesteckt. Zwei Mittel sind inzwischen zugelassen: Von Biontech/Pfizer soll die EU bis zu 600 Millionen Dosen bekommen und von Moderna noch einmal 160 Millionen Dosen.

4. Deutschland hat mehr als 300 Millionen Dosen bestellt

Deutschland erwartet nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Biontech/Pfizer aus der EU-Bestellung 64 Millionen Dosen sowie über eine eigene «gesicherte Option» weitere 30 Millionen. Von Moderna sollen es noch einmal 50,5 Millionen sein. Bestellt hat Deutschland darüber hinaus: 56,2 Millionen Dosen von Astrazeneca; bis zu 73 Millionen Dosen von Curevac; und 37,25 Millionen Dosen von Johnson&Johnson.

5. Deutschland hat bisher fast nur Biontech /Pfizer genutzt

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC soll die Daten zu gelieferten und genutzten Impfstoffen der 27 EU-Staaten rasch zusammentragen und veröffentlichen, ist aber nach eigenen Angaben noch nicht ganz fertig. Für Deutschland veröffentlicht das Robert Koch-Institut regelmässig die Daten.

Bis einschliesslich Sonntag waren 1,78 Millionen Impfstoffdosen verbraucht. Davon kam der allergrösste Teil, nämlich 1,76 Millionen Dosen, von Biontech/Pfizer. Von Moderna kamen rund 20'000 Einheiten. Die Zahl der Geimpften in Deutschland lag bei 1,55 Millionen, denn einige Menschen haben bereits ihre zweite Dosis bekommen.

6. Zwei wichtige Hersteller liefern weniger

Biontech/Pfizer hat wegen des Umbaus eines Werks in Belgien einen kurzen Produktionsengpass angezeigt – nach EU-Angaben befristet auf die vergangene Woche. Die Liefermenge soll EU-weit diese Woche wieder 100 Prozent erreichen und der Ausfall rasch wettgemacht werden.

In Deutschland kommt dies nach Angaben des Gesundheitsministeriums in einem anderen Rhythmus an: Vergangene Woche war demnach etwas mehr verfügbar, nämlich 842'400 statt 667'875 Dosen. Diese Woche sollen aber nur 485'550 Dosen kommen, ab 1. Februar dann schrittweise wieder mehr. Für die Woche ab 22. Februar sind 906'750 Dosen in Deutschland avisiert.

Hinzu kommt nun die Ankündigung von Astrazeneca, ebenfalls weniger an die EU-Staaten liefern zu können, und das in viel grösserem Umfang. Der britisch-schwedische Konzern könnte am 29. Januar die Zulassung bekommen. Danach erwartete die EU eigentlich 80 Millionen Impfdosen bis Ende März. Doch nun sollen es nach EU-Angaben nur 31 Millionen sein. Begründung hier: Lücke in der Lieferkette in Belgien. Im Raum steht aber die Vermutung, dass vorproduzierter Impfstoff statt an die EU an Dritte verkauft worden sein könnte. Die EU verlangt Aufklärung und die volle Menge. (SDA/nim/lui)

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