Fawzia (21) war Sex-Sklavin eines Terroristen – Experte über Jesiden und die IS-Gräueltaten
Frauen mussten Suppe mit Leichenteilen ihrer Kinder essen

Das Schicksal einer jungen Jesidin, die nach zehn Jahren aus Gaza gerettet wurde, bewegt. Ein Experte erklärt, wer die Jesiden sind, wer sie verfolgt und warum eine Influencerin sich mit einem Suppen-Witz einen gewaltigen Shitstorm einfuhr.
Publiziert: 04.10.2024 um 15:53 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2024 um 18:35 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Jesiden erlitten 2014 Völkermord durch den IS
  • Laut jesidischem Glauben werden Menschen gut geboren
  • 7000 Frauen und Kinder verschleppt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Fawzia wurde kürzlich aus Gaza gerettet.
Foto: Screenshot X Düzen Tekkal
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Angela RosserJournalistin News

Auf der Welt gibt es rund 1,5 Millionen Jesidinnen und Jesiden. Das Jesidentum ist eine eigene monotheistische Religion. Ihr Glaube basiert, entgegen dem Christentum oder dem Islam, nicht auf einer heiligen Schrift. Im Glauben der Jesiden schuf Gott die Welt aus einer Perle und formte sieben heilige Engel.

Der oberste Engel und Gottes Stellvertreter ist der Engel «Tausi-Melek», der durch einen Pfau symbolisiert wird. Zum Jesidentum kann man nicht konvertieren, sondern muss hineingeboren werden. Im Jesidentum glaubt man, dass die Menschen grundsätzlich gut geboren werden und glaubt, dass keine Religion besser als eine andere ist.

Völkermord mit Tausenden Toten

Sie selber werden jedoch verfolgt, unterdrückt, versklavt und getötet. Grosse Bekanntheit erlangte die über 4000 Jahre alte Religion, als der Islamische Staat 2014 einen Völkermord an den Anhängern verübte.

Bei dem Völkermord des IS an den Jesiden wurden geschätzt 5000 bis 10'000 Jesiden ermordet und bis zu 7000 jesidische Frauen und Kinder verschleppt. Überlebende sprechen von unsäglichem Leid, das ihnen angetan wurde. Auch die 21-jährige Fawzia ist eine von ihnen. Sie war vor zehn Jahren als Elfjährige entführt und als Sex-Sklavin misshandelt worden.

Experte klärt auf

Gohdar Alkaidy ist 1986 in Mossul geboren und Vorsitzender der Stelle für Jesidische Angelegenheiten in Berlin. Weiter ist er Experte für Jesidentum und startete 2021 eine Petition zur Anerkennung des Völkermords an den Jesiden. Am 19. Januar 2023 wurde die Verfolgung der Jesiden einstimmig vom Deutschen Bundestag als Genozid anerkannt.

Im Gespräch mit Blick erklärt er, dass sich in den ursprünglichen Gebieten, in denen die Jesidinnen und Jesiden angesiedelt waren, fast keine von ihnen mehr aufhalten. «Ursprünglich lebten Jesidinnen und Jesiden in der Türkei, im Iran, im Irak und in Syrien», erzählt er. Im Irak waren es einmal eine halbe Million Menschen, so Alkaidy. «Eine offizielle Volkszählung für Jesiden gab es nie, da es an Rechten mangelt», erklärt er.

«Der IS schrieb sich auf die Fahne, die Jesiden auszumerzen, weil sie keine Muslime sind und wegen ihres zähen Widerstands als unbekehrbar gelten», erklärt er. Zur geplanten Vernichtung des Volkes erklärt er weiter: «Männer und männliche Teenager wurden umgebracht oder vor die Wahl gestellt, den Islam als Glauben anzuerkennen.» Die überwältigende Mehrheit jedoch wählte gemäss Alkaidy den Tod.

Mädchen und Frauen wurden verschleppt und versklavt. «Tausende von ihnen wurden bis nach Libyen, Ägypten und in die reichen Golfstaaten an Islamisten verkauft», so Alkaidy. Teils seien auch Buben an Pädophilen-Ringe verkauft worden.

Leid auf Social Media lächerlich gemacht

Welches Leid und Traumata der IS den Frauen zugefügt hat, kommt aktuell unter anderem aufgrund eines Shitstorms ans Licht. Im Fokus steht hier eine Influencerin, die sich in einem Koch-Video über den jesidischen Glauben lustig zu machen scheint.

Sie lacht und spricht davon, «Tausi-Suppe» zu kochen. Besonders geschmacklos ist das, wenn man über die Gräueltaten Bescheid weiss, die den jesidischen Frauen widerfahren sind.

In einem anderen Video auf Social Media spricht eine jesidische Frau davon, dass ihnen in der Gefangenschaft eine «Art Fleisch-Suppe» serviert wurde, die sie haben essen müssen. Auf die Frage, ob auch ihre Kinder etwas zu essen bekämen, wurde ihnen gesagt, dass sie ihre Kinder gerade gegessen hätten.

Entschuldigung reicht nicht aus

Auf das Video und die geschilderten traumatischen Erlebnisse der Frau angesprochen, erklärt Alkaidy, dass diese grausamen Schilderungen leider stimmen. «Die Geschichte ist wahr und da gibt es viele Grausamkeiten und schwere Traumata, die tief eingebrannt sind», so Alkaidy.

Dass sich die Influencerin für ihre Aussagen entschuldigt hat, reicht ihm nicht. «So etwas sollte rechtliche Konsequenzen haben», findet er. «Man sollte sich im Klaren sein, welch langen Leidensweg diese Menschen hinter sich haben, bevor man etwas vermeintlich Lustiges ins Netz stellt», sagt Alkaidy bestimmt. 

Noch immer gelten 2700 jesidische Mädchen und Frauen als verschollen.

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