Priester-Mörder Adel Kermiche (19) und sein Komplizen
Priester-Mörder bekennen sich in Video zum IS

Zweimal versuchte er nach Syrien zu reisen. Zweimal wurde er gestoppt. Auch in Genf verhaftet. In Haft gesteckt. Die Behörden kannten Adel Kermiche. Trotzdem konnte 19-Jährige zuschlagen und mit seinem Komplizen sogar ein Bekennervideo aufnehmen. Beim Komplizen handelt es sich um
Publiziert: 27.07.2016 um 07:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:54 Uhr
Dieses Bild von Adel Kermiche veröffentlichte «Le Parisien».
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Sandro Inguscio

Mit Messern, Pistole und Kamera ausgestattet betritt Adel Kermiche am Dienstag mit einem Komplizen die Kirche in Saint-Etienne-du Rouvray. Ihr Plan: mörderisch. Sie wollen terrorisieren. Im Namen von Allah. Im Auftrag des Islamischen Staates.

Ihr Opfer: der 86-jährige Priester Jaques Hamel. Vor den Augen von Nonnen und Gläubigen zwingen sie den Gottesmann in die Knie. Predigen dabei auf Arabisch. Halten ihn fest. Und schneiden ihm die Kehle durch. Dabei halten sie alles auf Video fest. Jetzt ist auch ein Video aufgetaucht, dass die beiden Priester-Mörder vor ihrer Tat aufnahmen und in dem sie sich zum Islamischen Statt (IS) bekennen.

Als sie die Kirche nach ihrem Blutbad verlassen, stürzen sie sich mit Sprengstoffattrappen auf die Polizisten, schreien «Allahu Akbar» (Gott ist gross) und werden erschossen.

Doch wer sind diese Terroristen, die einen alten wehrlosen Priester in ihrer eigenen Stadt töten?

Terroristen-Komplize wurde von Polizei gesucht

Über Adel Kermiche war bereits schnell vieles bekannt. Jetzt ist auch sein Komplize identifiziert. Der zweite Attentäter wurde offenbar polizeilich gesucht! Wie jetzt aus Ermittlerkreisen bekannt wurde, fande die Polizei bei der Durchsuchung der Wohnung Adel Kermiche den Pass eines Abdel Malik P (19) gefunden worden sein.

Abdel Malik P. war nicht vorbestraft, seine Fingerabdrücke nicht registriert. Allerdings soll die Anti-Terror-Polizeieinheit UCLAT bereits vier Tage vor dem Angriff auf die Kirche bei Rouen eine Mitteilung herausgegeben haben, wonach sie «verlässliche» Informationen über jemanden habe, der «kurz davor steht, einen Angriff auf dem Staatsgebiet zu verüben». Die Mitteilung sei mit einem Foto versehen gewesen, das Abdel Malik P. gleicht.

Kermiche mochte Rihanna und die Simpsons

Er wurde im März 1997 in Mont-Saint-Aignan nahe der Stadt Rouen geboren. Lebte jetzt zuletzt mit seiner Familie in Saint-Etienne-du Rouvray.

Bilder aus Sozialen Netzwerken zeigen den jungen Adel mit Gelfrisur und erhobenen Daumen. Er soll die Musik von Rihanna und die TV-Serie «Simpsons« gemocht haben, heisst es. In seiner Freizeit trieb er oft Sport, traf Freunde zum Grillieren und Feiern. Er hatte eine Schwester, die als Ärztin in Rouen arbeitet und einen jüngeren, 16 Jahre alten Bruder. Soweit, so normal.

«Charlie Hebdo»-Attentat veränderte ihn

Doch dann, im Januar 2015 nach dem Attentat in Paris, veränderte sich Adel Kermiche, erklärt seine Mutter, eine Professorin, der Zeitung «Sun». «Er ging danach immer häufiger in die Moschee und begann, mich zu massregeln», sagte sie. «Er war wie verhext. Adel meinte, er könne seine Religion in Frankreich nicht ausleben. Aber ich bin mir sicher, das waren nicht seine Worte.»

Auch ein früherer Freund Adels sagte gegenüber französischen Medien: «Er muss manipuliert worden sein.» Sicher ist: In nur wenigen Monaten wird aus dem jungen Mann ein Fanatiker.

Das Unglaubliche: Die Behörden wussten, dass Kermiche gefährlich ist. Zweimal hatte er versucht nach Syrien ins Kerngebiet des IS zu reisen. Zweimal wurde er gestoppt. Im März 2015 versuchte er es über München und wurde gestoppt. Er hatte versucht mit dem Pass seines Bruders nach Syrien zu reisen.

Zweimal verhaftet, mit Fussfessel freigelassen – sie war deaktiviert

Sein zweiter Versuch via Flughafen Genf gelingt, berichtete die «Tribune de Genève». Zwei Monate später wird er aber in der Türkei aufgegriffen – mit dem Pass seines Cousins. Er wird verhaftet und an die Schweiz ausgeliefert. Die Schweiz liefert ihn nach ein paar Tagen im Gefängnis «Champ-Dollon» an Frankreich aus. Dort verbringt er etwa zehn Monate im Gefängnis. Die Anklage: «Verschwörung zur Vorbereitung eines terroristischen Anschlags».

Kermiche will aber nicht im Knast sitzen - und will raus. Die Richter in Paris sind dagegen: Zu gefährlich! Doch laut dem ZDF setzte sich ein lokaler Richter über diese Bedenken hinweg.

Am 2. März 2016 wird er trotzdem freigelassen. Mit der Auflage eine Fussfessel tragen zu müssen. Nur: Er hatte von den Behörden die Erlaubnis, das Haus der Eltern täglich zwischen 8.30 Uhr und 12.30 Uhr zu verlassen, am Wochenende am Nachmittag. Sein Anschlag im Namen des IS verübte er um ca. 9.45 Uhr. In der Zeit, in dem ihm die Behörden «frei» gegeben hatten.

Obwohl man seine Absichten kannte. Seine Versuche nach Syrien zum IS zu gelangen kannte. Obwohl man ihn in Haft hatte. Obwohl nach Angaben der Zeitung «Le Point» beide Täter in der Terrordatenbank Frankreichs geführt wurden. Unter dem französischen Vermerk «fiche S» («schwere Bedrohung für die nationale Sicherheit») seien sie auf einer Liste mit etwa 10'500 weiteren Personen, größtenteils Islamisten, zu finden. Und selbst die Moschee der Stadt hatte seine Eltern gewarnt und sich besorgt über seine Radikalisierung gezeigt.

Doch niemand nahm die Gefahr ernst genug. Bis Adel Kermiche seine kranken Fantasien in die Tat umsetzte und zum Priester-Schlächter wurde.

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