IT-Spezialisten und Computerspiel-Programmierer
Diese Nerd-Truppe berechnet Putins Raketenangriffe

Eine Gruppe von IT-Spezialisten und Computerspiel-Programmierern soll für die tödlichen Raketenangriffe der vergangenen Monate verantwortlich sein.
Publiziert: 25.10.2022 um 13:50 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2023 um 17:33 Uhr

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs setzte Russland vor allem auf grossflächigen Beschuss. Überall in der Ukraine gingen Raketen nieder, alle grossen Städte waren betroffen. Nach einigen Wochen liessen die Angriffe aus der Luft nach – bis vor zwei Wochen.

Nach der Explosion auf der Krim-Brücke Anfang Oktober rächte sich Russlands Präsident Wladimir Putin (70) mit erneuten Luftangriffen. Raketen und Kamikaze-Drohnen sorgten in den grossen Städten des Landes für Tote und Verletzte.

Nun hat ein internationales Recherche-Team herausgefunden, wer hinter diesen Angriffen steckt. Journalisten der Plattform Bellingcat, des «Spiegel» und dem russischen Online-Medium «The Insider» recherchierten monatelang, wer genau für die Raketenangriffe verantwortlich gemacht werden kann.

Diese Gruppe, die offiziell für das «Rechenzentrum des Generalstabs» der russischen Armee arbeitet, soll hinter den Raketenangriffen stecken.
Foto: Twitter / grntmedia
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Wenig über die Gruppe bekannt

Demnach soll eine Gruppe mit einigen Dutzend Personen hinter den Raketenangriffen stecken. Diese arbeitet offiziell für das «Rechenzentrum des Generalstabs». Die Abteilung soll auf Raketen-Systeme spezialisiert sein, öffentlich bekannt ist über die Gruppe nichts.

Bei den Mitarbeitern handle es sich um IT-Spezialisten, einige hätten auch einen Hintergrund als Computerspiel-Programmierer. Die Gruppe soll die Programmierung der Raketen-Flugbahnen übernommen haben. Jeder Flugkörper sei einzeln programmiert, jeder Ort des Einschlags einzeln definiert worden.

Gemäss den Recherchen steht Oberst Igor Bagnjuk an der Spitze der Abteilung. Bagnjuk wurde Anfang der 1980er-Jahre in der lettischen Hauptstadt Riga geboren. 2004 erreichte er den Abschluss einer Akademie, die sich auf russische Raketen und die IT-Systeme dahinter spezialisierte. Die Recherchen ergaben zudem, dass sich Bagnjuk während der Raketenangriffe in Syrien in dem Land aufhielt.

Die Journalisten konnten ausserdem auf Daten von Bagnjuks Handy zugreifen. Dieses sei in der Woche vor den jüngsten Raketenangriffen deutlich mehr verwendet worden als noch in den Monaten zuvor. Am Abend des 9. Oktober, einen Tag vor den Angriffen auf mehrere Grossstädte, rief er elfmal seine Ingenieure an. In den Wochen zuvor herrschte praktisch Funkstille.

Eine Stunde vor dem Angriff wieder im Büro

Die Standort-Daten von Bagnjuks Handy zeigten zudem, dass der Oberst am Vorabend der ersten Angriffswelle kurz nach 17 Uhr von seinem Wohnort ausserhalb Moskaus in sein Büro fuhr – an einem Sonntag.

Laut Bellingcat kamen bei den Angriffen drei verschiedene Raketen-Typen zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Hochpräzisionsraketen der Typen Kalibr, Iskander und KH-101.

Innerhalb der Abteilung von Bagnjuk arbeiten mehrere Untergruppen. Jede dieser Gruppen ist auf die Programmierung eines bestimmten Raketen-Typs spezialisiert. Die Daten zeigen, dass Bagnjuk am Nachmittag mit den Leitern dieser Untergruppen telefonierte – wohl, um letzte Details für den Angriff zu klären.

Um 21.15 Uhr am Sonntagabend sprach Bagnjuk noch ein letztes Mal mit seinem Vorgesetzten, General Robert Baranow. Danach fuhr er nach Hause – aber nicht für lange.Am nächsten Morgen kehrte Bagnjuk wieder in sein Büro zurück. Um 5.30 Uhr soll er gemäss den Standortdaten in der Moskauer Zentrale eingetroffen sein.

Eine Stunde später feuerte Russland die ersten Raketen ab.

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