«Es sind oft Einwanderer, die übergriffig werden»
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Nemesis-Feministinnen:«Es sind oft Einwanderer, die übergriffig werden»

Jung, hip – und rechtsextrem
Feministinnen aus «10vor10» stammen aus der Neonazi-Szene

Das Frauenkollektiv Némésis aus der Romandie prangert sexuelle Gewalt von Migranten an. Hinter der Gruppe stehen Aktivistinnen aus dem rechtsextremen Milieu.
Publiziert: 14.05.2022 um 16:10 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2023 um 14:00 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Grosser Auftritt für eine kleine Gruppe: Vor einer Woche rückte «10vor10» das Westschweizer Frauenkollektiv Némésis in den Fokus (siehe Video). In einem ausführlichen Bericht porträtierte die SRF-Sendung die Aktivistinnen als junge, engagierte Feministinnen, die «gegen den Strom schwimmen», indem sie konsequent auf sexuelle Gewalt von Einwanderern aufmerksam machen.

Was SRF nicht erwähnte: Die Anführerinnen von Némésis stammen aus der militanten, rechtsextremen Szene. Feminismus ist für sie ein Vehikel, um ihre rassistischen Ideen unter die Leute zu bringen – und um weiblichen Nachwuchs zu rekrutieren.

Némésis, benannt nach der griechischen Rachegöttin, agiert als Schweizer Ableger der gleichnamigen Gruppierung aus Frankreich. Die Gründerin aus Paris, Alice Cordier, sagte in einem Radiointerview: «Wir müssen die weissen Männer erbittert verteidigen, denn sie sind unsere Väter und werden später die Väter unserer Kinder sein.» Mit Verweis auf Statistiken, wonach sich die Franzosen bis 2050 angeblich in der Minderheit wiederfinden werden, fügte sie an: «Es geht ums Überleben.»

Foto: Nicolas Poinsot
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Rassistische Slogans als Kern der Botschaft

Dermassen offen wie die Gründerin aus Paris predigen die Némésis-Aktivistinnen aus der Romandie ihre Ideologie der weissen Vorherrschaft nicht. Rassistische Slogans bilden aber auch bei ihnen den Kern der Botschaft. Etwa dann, wenn auf den Klebern der Gruppierung zu lesen ist: «Rapefugees not welcome», eine Kombination der englischen Worte «rape» (Vergewaltigung) und «refugees» (Flüchtlinge).

Jung, hip – und rechtsradikal. Die Spuren der tonangebenden Aktivistinnen von Némésis Schweiz führen direkt in die Neonaziszene. Konkret: Zur Frauen-Sektion der rechtsextremen Militants Suisses. Die Sektion war so etwas wie die Vorgängergruppe von Némésis Schweiz.

Das linke Onlineportal Renversé hat die Verstrickungen der Westschweizer Aktivistinnen mit Militants Suisses detailliert nachgezeichnet. Allen voran diejenigen der Walliserin Sarah B.*, Mitbegründerin und Anführerin von Némésis Schweiz.

B. prangerte im «10vor10»-Bericht sexuelle Übergriffe von Migranten an: «Man weiss, dass es häufig Einwanderer sind, Menschen, die nicht von hier sind, das sieht man auch an ihrem Äusseren.» Wenn es um den Ausgang gehe, dann sei es «häufig derselbe Typ Mann».

Alle treten in der rechtsextremen Szene auf

2021 trat B. in einem Propagandavideo von Militants Suisses auf. Im März des gleichen Jahres marschierte sie in einem Pulk von gewaltbereiten Militants-Suisses-Anhängern an der Corona-Demo in Liestal BL auf. Dabei griffen Mitstreiter von Sarah B. linke Gegendemonstranten an. Kurz nach der Demo tauchte auf einem rechten Hooligan-Kanal ein Foto auf, auf dem die junge Westschweizerin und ihre Kameraden auf einem Banner gegen Antisemitismus herumtrampeln. Sie hatten es den Gegendemonstranten geklaut.

Mittlerweile hat B. ihre Social-Media-Kanäle entschärft. Gelöscht hat sie dabei unter anderem ein Foto von einem gemeinsamen Abend mit drei Freunden. Einer von ihnen trägt einen Pullover mit dem SS-Totenkopf, das Truppenzeichen einer besonders berüchtigten Division von Hitlers Schutzstaffel. Dazu schrieb sie: «Zusammen mit den Legenden.»

Auch die meisten anderen Némésis-Aktivistinnen, die öffentlich in Erscheinung treten, sind in der rechtsextremen Szene aktiv. Eine der Frauen posierte noch vor kurzem vermummt und mit Boxhandschuhen des französischen Neonazi-Labels Pride France. Die gleiche junge Frau ist zudem zusammen mit einem weiteren Némésis-Mitglied in einem Werbevideo der Jungen Tat zu sehen, der zurzeit aktivsten rechtsextremen Gruppierung in der Schweiz. Némésis reagierte nicht auf Anfragen von SonntagsBlick.

Sie wollen Rechtsextremismus für junge Leute attraktiv machen

Rechtsextremismus mit feministischem Anstrich ist kein neues Phänomen. Zuletzt verschleierte die Identitäre Bewegung – zu deren Umfeld auch Némésis Frankreich gehört – ihre Anti-Migrationspolitik mit Frauenrechten. In der Internetkampagne 120dB riefen die Identitären Frauen dazu auf, sich gegen Gewalt durch Geflüchtete zu wehren. Ein Versuch, die #MeToo-Bewegung gegen Sexismus zu imitieren.

Némésis steht darüber hinaus auch für ein neues Erscheinungsbild der rechten Szene in der Schweiz. Gruppierungen wie die Junge Tat und nun Némésis schaffen es, den Rechtsextremismus für junge Leute wieder attraktiv erscheinen zu lassen. Instagramtauglich – inhaltlich aber genauso radikal.

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