Keine «Achse des Bösen» – nicht mal der Iran hat Lust auf Kreml-Chef
Wladimir Putin blitzt in Teheran ab

Wladimir Putin war zu Besuch in Teheran. Wo er sich Solidarität und Unterstützung im Kampf gegen den Westen vorgestellt hat, bleibt gähnende Leere zurück. Und das mit gutem Grund.
Publiziert: 20.07.2022 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 21.07.2022 um 09:34 Uhr
Chiara Schlenz

Es war erst seine zweite Auslandsreise seit dem 24. Februar – dem Beginn des Ukraine-Kriegs –, aber dafür eine für ihn wichtige: Kremlchef Wladimir Putin (69) reiste am Dienstag nach Teheran, um dort mit den Staatsoberhäuptern des Irans, Ebrahim Raisi (61), und der Türkei, Recep Tayyip Erdogan (68), bei einem Spitzentreffen zu verhandeln.

Kurz zuvor reiste bereits der US-amerikanische Präsident Joe Biden (79) in den Nahen Osten – zufällig gewählt war der Zeitpunkt der Putin-Reise also nicht, wie auch Maurus Reinkowski, Türkei-Experte und Professor für Islamwissenschaft an der Universität Basel, Blick erklärt. «Russland wollte damit beweisen, dass es eigene Partner in der Region hat.»

«Russland braucht den Iran mehr als umgekehrt»

Offiziell ging es bei dem Treffen um die Situation in Syrien, inoffiziell wurden aber auch der Krieg in der Ukraine und die westlichen Sanktionen thematisiert, denn: Putin reiste mit der Absicht nach Teheran, bei seinen Verbündeten Unterstützung abzuholen, ein Zeichen gegen den Westen zu setzen, Halt vom ebenfalls westlich sanktionierten Iran zu bekommen und im Gegenzug Halt zu geben.

Am Donnerstag hat sich Wladimir Putin (l.) mit Recep Tayyip Erdogan (M.) und Ebrahim Raisi (r.) getroffen.
Foto: AFP
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«Russland braucht derzeit wegen des Ukraine-Kriegs den Iran mehr als umgekehrt, aber beide haben wegen ihrer feindlichen Beziehungen zum Westen ein gemeinsames Anliegen», so Reinkowski. Die Erfolgschancen Putins lagen also relativ hoch, dass man ihm in Teheran Unterstützung zusichert.

Der Experte führt aus: «Iran hat eine jahrzehntelange Erfahrung mit westlichen Sanktionen; hier kann Russland etwas von Iran lernen und hier gibt es gemeinsame Interessen. Iran und Russland teilen zudem das Anliegen, den Einfluss des Westens in der erweiterten Region des Nahen Ostens zurückzudrängen.»

Doch der russische Präsident hat falsch kalkuliert: Ein verpflichtendes Bekenntnis des Irans zu Russland bleibt aus. Auch die von den USA angekündigten Drohnenlieferungen des Irans an Russland werden von iranischer Seite weiterhin vehement dementiert. «Iran wird sich hüten, sich als Parteigänger von Russland direkt in den Ukraine-Konflikt ziehen zu lassen», meint der Experte.

Gegen den Westen zu sein ist kleinster gemeinsamer Nenner

Dass Putin nicht einmal bei seinen vermeintlichen Verbündeten Unterstützung bekommt, hat einen guten Grund: Bei den Annäherungen zwischen dem Iran und Russland handelt es sich um reine Zweckfreundschaften, so Reinkowski.

«Es geht um Macht- und Geopolitik. Von ‹Freunden› sollte man also eigentlich nicht reden», erklärt Reinkowski. «Keiner der dreien traut grundsätzlich dem anderen. Es geht um einen bestimmten Nutzen, den die drei Akteure aus einer bedingten und jederzeit aufkündbaren Zusammenarbeit ziehen wollen.»

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Der kleinste gemeinsame Nenner der drei Staaten: die technische Unterminierung des westlichen Sanktionsregimes. «Und auch das nur begrenzt», meint Reinkowski. Alles darüber hinaus – ein noch angespannteres iranisches Verhältnis mit dem Westen beispielsweise, sei nicht von Interesse.

Weder der Iran, noch die Türkei würden zudem die russischen Visionen von einem wiederherzustellenden russischen Imperium in den Ausmassen der früheren Sowjetunion mit einem freundlichen Auge betrachten. Und das aus gutem Grund: Die historische Erfahrung Irans und auch der Türkei ist die imperiale Expansion Russlands Richtung Süden seit dem 18. Jahrhundert.

Russland möchte Iran und Türkei weiter abspalten

Für Reinkowski ist klar: Das Spitzentreffen war ein gelungener PR-Stunt und nicht viel mehr. «Öffentliche Aufmerksamkeit hat das Treffen bekommen und dem Westen wurde demonstriert, dass man nicht auf ihn angewiesen ist.» Eine Achse «Moskau-Teheran» ist und bleibt laut dem Experten unwahrscheinlich.

Trotzdem ist es möglich, dass Russland versuchen wird, den Iran und die Türkei noch weiter vom Westen abzuspalten. Ob das klappen wird, sei aber ebenfalls dahingestellt. «Es gibt dieses Interesse Russlands, aber Iran hat ohnehin bereits sehr gespannte Beziehungen mit dem Westen. Die Türkei wird weiterhin versuchen, zu ihrem eigenen Vorteil zu agieren und zugleich ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren.»

Zeit, um sich aus westlicher Sicht Sorgen zu machen, sei aber noch nicht. Und: «Misstrauen ist gut, Zuversicht ist besser. Wir dürfen uns nicht in einen allgemeinen Pessimismus sinken lassen; er lähmt und hilft uns nicht bei der Meisterung der zukünftigen Herausforderungen.»

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