Kölner Polizei holt Fahnder mit fotografischem Gedächtnis
Superhirne jagen Sex-Mob

Kaum im Einsatz, haben britische Beamte von Scotland Yard schon 40 Verdächtige aus der Schandnacht von Köln identifiziert. In der Schweiz will die Polizei nichts von solchen Super Recognizern wissen.
Publiziert: 28.01.2016 um 21:01 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 12:25 Uhr
Aus dieser Menschenmasse sollen Super Recognizer Verdächtige erkennen. Die Fahnder sind auf gutem Weg.
Foto: Markus Boehm
Guido Felder

Im Kampf gegen die brutalen Täter der Kölner Silvesternacht holt die Polizei zwei Super-Agenten von Scotland Yard nach Deutschland.

Bei den englischen Ermittlern handelt es sich um sogenannte Super Recognizer. Das sind Fahnder mit Foto-Gedächtnis, die möglichst viele Angreifer zur Strecke bringen sollen.

Wenn Super Recognizer ein Gesicht sehen, vergessen sie es nie mehr. Auf Bildern und Videos erkennen sie sofort Leute wieder, die sie auf anderen Fahndungsunterlagen oder in natura schon gesehen haben. Selbst wenn die Personen unscharf abgebildet oder gealtert sind. So können sie Zusammenhänge herstellen und Täter überführen.

Leistet mit seinem Foto-Gedächtnis ganze Arbeit: Constable Gary Collins von Scotland Yard.
Foto: zvg

Mit dieser Methode hat Scotland Yard Erfolg. Nach Ausschreitungen und Plünderungen 2011 in London lagen 200’000 Stunden Video-Material vor. Constable Gary Collins schaffte es, 180 Personen zu identifizieren. Die «New York Times» widmete ihm darauf ein Porträt. Scotland Yard beschäftigt inzwischen schon 152 Super Recognizer, wie «n-tv.de» berichtet.

Den beiden nach Köln geschickten Fahndern stehen drei deutsche Kollegen zur Seite, die ähnliche Fähigkeiten haben. Das Polizeipräsidium Köln schreibt: «Mit Hilfe der Super Recognizer wertet die Ermittlergruppe aktuell 272 Gigabyte Datenvolumen, bestehend aus 313 Videos und Bildern, aus.»

In der Silvesternacht wurden zwischen Hauptbahnhof und Dom in Köln Hunderte von Frauen beraubt und sexuell missbraucht. Die Täter stammten aus einer Gruppe von rund 1000 Männern.
Foto: Markus Boehm

Und bereits zeigt sich ein Erfolg: Seit der Anreise der Briten konnte das Team laut deutschen Medien schon rund 40 Verdächtige identifizieren. Dirk Weber vom Polizeipräsidium Köln am Donnerstag zu BLICK: «Die Engländer haben heute ihren Einsatz beendet.»

Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies (r.) dankt den beiden Super Recognizern von Scotland Yard für die Hilfe.
Foto: Polizei Köln

Die deutschen Spezialisten jedoch machen weiter: Es sollen möglichst viele Täter ermittelt werden, die in der Neujahrsnacht vor dem Kölner Dom Frauen beraubt, brutal begrapscht und teilweise sogar vergewaltigt haben.

Auch in der Schweiz sind Super Recognizer ein Thema – allerdings bisher nur in der Wissenschaft. Die Polizei setzt weiterhin auf traditionelle Fahndungsmethoden. Das heisst: Polizisten werden in der Merkfähigkeit von Gesichtern geschult, wie es etwa auf Anfrage von BLICK bei der Kapo Zürich heisst. Der Einsatz von Super Recognizern stehe in Zürich nicht zur Diskussion.

Untersucht das fotografische Gedächtnis: Meike Ramon, Uni Freiburg.
Foto: Zvg

Dr. Meike Ramon (35) ist Kognitive Neurowissenschaftlerin an der Uni Freiburg und hat Gedächtnissportler untersucht, die sich vor allem in der Disziplin «Gesichter-Erkennen» auszeichnen. Meike Ramon zu BLICK: «Wir wollen wissen, ob sie ihre Weltrekorde einer besonderen Fähigkeit oder vergrösserten Hirnregionen zu verdanken haben und wie sich Gedächtnistraining auf die visuelle Wahrnehmung von Gesichtern auswirkt.»

Generell steckt die Forschung zum Thema Super Recognizer noch in den Kinderschuhen. «Derzeit gibt es genau drei veröffentlichte Artikel in internationalen Fachzeitschriften», sagt Meike Ramon. Es gibt auch keine verlässliche Zahl, wie gross der Anteil Super Recognizer an der Bevölkerung ist. Eine grobe, nicht wissenschaftlich erhärtete Einschätzung spricht von einem Prozent.

Meike Ramon glaubt, dass die Fahndungsmethode Zukunft haben wird. Ramon: «Die Erkennung persönlich bekannter Gesichter ist extrem schnell, weitaus weniger fehleranfällig und bleibt von Computern ungeschlagen.»

Und wie erkennt man, ob man selber über diese Fähigkeit verfügt? Meike Ramon: «Viele Super Recognizer scheinen gut darin zu sein, Prominente anhand von deren Kinderbildern zu erkennen.» 

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