Korruptionsskandal schockt EU-Parlament
Neben Eva Kaili auch Italo-Trio im Visier der Ermittler

Ein Korruptionsskandal schockt das EU-Parlament. Neben Vizepräsidentin Eva Kaili stehen viele Sozialdemokraten und eine Nichtregierungsorganisation im Zentrum der Affäre. Das ist der aktuelle Stand der Ermittlungen.
Publiziert: 12.12.2022 um 13:14 Uhr
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Marian NadlerRedaktor News

Katar hat offenbar EU-Vizepräsidentin Eva Kaili (44) und weitere EU-Parlamentarier bestochen, damit sie in Brüssel die Interessen des Wüstenstaats vertreten. Diesem Verdacht gehen derzeit Ermittler nach, insgesamt habe es 16 Hausdurchsuchungen gegeben, berichten belgische Zeitungen.

Die Spuren führen nicht nur zu einer einflussreichen Politikerin des EU-Parlaments, sondern auch zu italienischen und belgischen Verdächtigen. Viele von ihnen sind Sozialdemokraten.

Eva Kaili und drei der Korruption beschuldigte Italiener waren am Montagmorgen weiterhin in Haft. Die griechische Anti-Geldwäsche-Behörde hat Kailis Vermögen inzwischen eingefroren. Spitzenbeamte des EU-Parlaments wollen nun ihre Immunität aufheben – damit wäre der Weg für eine Anklage frei.

Eva Kaili (44), Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, ist die Prominenteste unter den Verhafteten.
Foto: keystone-sda.ch
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NGO Fight Impunity im Zentrum von Korruptionsskandal

Zu den festgenommenen Italienern gehört Francesco Giorgi (37), der Lebensgefährte von Kaili. Er ist ehemaliger parlamentarischer Assistent und Spezialist für Menschenrechtsfragen und auswärtige Angelegenheiten. Giorgi gründete eine NGO namens Fight Impunity, die sich nach eigenen Angaben dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat.

Pier Antonio Panzeri (67) ist der Präsident von Fight Impunity und ein früherer EU-Abgeordneter der Sozialdemokraten. Auch er sitzt in Haft. Ihm wird vorgeworfen, «bei Mitgliedern des Europäischen Parlaments zugunsten von Katar und Marokko politisch» interveniert zu haben. Das berichtet «Politico». Seine Frau Maria Colleoni (68) und seine Tochter Silvia (38) stehen seit Freitag unter Hausarrest. Ihnen drohen wegen Geldwäsche bis zu fünf Jahre Haft.

Der dritte Inhaftierte ist Niccolò Figà-Talamanca. Er ist Generaldirektor der NGO No Peace Without Justice. Die Nichtregierungsorganisation firmiert an derselben Adresse wie «Fight Impunity».

Arbeitnehmervertreter schon wieder auf freiem Fuss

Mit Luca Visentini ist zudem einer der Verdächtigen unter Auflagen vorerst wieder freigekommen. Visentini ist der höchste Arbeitnehmervertreter der Welt. Er ist Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes mit mehr als 200 Millionen Mitgliedern.

Bis vor wenigen Wochen war Visentini auch Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes – und hierzulande kein Unbekannter. Wiederholt lobte er etwa den Lohnschutz in der Schweiz.

Who's who der Spitzenpolitik distanziert sich von «Fight Impunity»

Brisant: Gleich mehrere mächtige EU-Politiker waren bei Fight Impunity tätig. Die Liste der Namen liest sich wie ein Who's who der europäischen Spitzenpolitik: der ehemalige französische Premier Bernard Cazeneuve (59), der ehemalige EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos (69), die ehemalige Parlamentarierin Cecilia Wikström (57) und die ehemalige EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini (49).

Sie alle hatten einen Posten bei Fight Impunity, distanzierten sich am Wochenende von der Nichtregierungsorganisation und gaben ihre Ämter auf.

Auch Haus des belgischen Abgeordneten Marc Tabarella durchsucht

Die Polizei versiegelte auch das Büro eines nicht genannten parlamentarischen Assistenten, der früher für Fight Impunity gearbeitet hat und derzeit Mitarbeiter im Büro der belgischen sozialdemokratischen Abgeordneten Marie Arena (55) ist.

Arena, die von Panzeri den Vorsitz des Unterausschusses für Menschenrechte geerbt hat und eng mit Fight Impunity zusammenarbeitete, bestätigte belgischen Medien, dass das Büro versiegelt wurde. Sie sagte, sie selbst sei nicht von der Polizei befragt worden.

Katar weist Vorwürfe zurück

Durchsuchungen gab es ausserdem im Haus des belgischen Abgeordneten Marc Tabarella (60), auch im Büro von einem seiner Mitarbeiter schauten Ermittler vorbei. Tabarella ist ebenfalls Sozialdemokrat. «Ich habe absolut nichts zu verbergen und werde alle Fragen beantworten», sagte er der Nachrichtenagentur Belga am Sonntag.

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Katar weist indes alle Vorwürfe zurück. «Jede Verbindung der katarischen Regierung mit den berichteten Vorwürfen ist grundlos und gravierend uninformiert», teilte das Aussenministerium mit.

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