Lange Haftstrafen für brasilianische Pastorin und ihre Kinder
Mutter von 55 Kindern machte Mord an ihrem Mann zur Familiensache

Spektakulärer Mordprozess in Brasilien, der sich um Religion, Prominenz und Politik dreht: Eine Pastorin, Ex-Abgeordnete und 55-fache Mutter muss wegen Anstiftung zu Mord an ihrem Mann hinter Gitter – mit einigen ihrer Kinder. Der Mord war gewissermassen Familiensache.
Publiziert: 14.11.2022 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2022 um 07:19 Uhr

Flordelis dos Santos de Souza (61) ist eine Berühmtheit in Brasilien. Die ehemalige Abgeordnete hat nicht nur 55 Kinder – sowohl leibliche als auch adoptierte. Sie ist auch eine prominente Gospelsängerin, Kirchengründerin – und soll den Mord an ihrem Ehemann, einem Prediger, in Auftrag gegeben haben. Dafür gabs jetzt 50 Jahre und 28 Tage Haft, wie brasilianische Medien am Sonntag berichteten – nach einem der aufsehenerregendsten Verbrechen und Prozesse in Brasiliens Geschichte.

Anderson do Carmo (†42) hiess ihr 2019 ermordeter Gatte, der auch beträchtlich jünger als Flordelis war. Gleich sechsmal hatte Flordelis ihn mit Zyankali zu vergiften versucht. Dann heuerte sie Auftragskiller an – die eigene Familie. Im Juni 2019 wurde Do Carmo von rund 30 Schüssen niedergestreckt, als er nach Hause zurückkehrte. Der Schütze: einer seiner Söhne.

Das Mordkomplott war gewissermassen Familiensache. Flordelis' Mitangeklagte, ihre Tochter Simone Rodrigues, wurde wegen ihrer Beteiligung an den versuchten Morden an ihrem Vater zu mehr als 31 Jahren verurteilt. Sohn Flavio, der die Mordwaffe abgefeuert hatte, war schon letztes Jahr zu 33 Jahren Knast verurteilt worden. Und sein Adoptivbruder Lucas Cézar erhielt sieben Jahre Haft, weil er beim Kauf der Mordwaffe geholfen hatte. Hinzu kommen vier weitere Personen, die involviert sind, darunter ein leiblicher und ein Adoptivsohn von Flordelis. Zwei weitere Kinder von Flordelis und eine Enkelin wurden vom Vorwurf des Mordes und des versuchten Mordes freigesprochen.

Muss ein halbes Jahrhundert hinter Gitter: Die brasilianische Pastorin, Gospelspängerin, Ex-Abgeordnete und 55-fache Mutter Flordelis dos Santos soll ihre eigenen Kinder zum Mord an ihrem Mann angestiftet haben.
Foto: AFP
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Hingebungsvolle Mutter

Die Hauptangeklagte hatte vor Gericht beteuert, nichts von dem Verbrechen gewusst zu haben. Offenbar sei dies von Menschen begangen worden, die sie vor angeblichen sexuellem und körperlichem Missbrauch durch den evangelikalen Prediger schützen wollten. Das Gericht indes hält die 61-Jährige für den Kopf hinter dem Verbrechen, das wie ein missglückter Raubüberfall aussehen sollte. Vorab sei es dabei um Geld gegangen. Das Opfer habe die Familienkasse rigide verwaltet und gewisse Familienmitglieder bevorzugt behandelt. Auch soll es um Macht über die gemeinsam gegründete evangelikale Kirchengemeinde gegangen sein, das Ministerio Flordelis.

Flordelis, Namensgeberin der Kirche, stammte aus Rios Favelas. Den 16 Jahre jüngeren Do Carmo lernte sie kennen, als dieser noch ein Teenager war. Das Paar gründete später gemeinsam ihre Kirche. Richtig berühmt wurde das Pastorenpaar durch seine riesige Familie mit 55 Kindern, die meisten adoptiert.

Flordelis sang auch gerne in ihren neun Kirchen und galt im Land als hingebungsvolle Mutter. Das katapultierte sie in die Politik. Bei den Wahlen 2018 ins brasilianische Parlament errang sie mehr Stimmen als jeder andere Kandidat in Rio. Laut Ermittlern soll sie als Abgeordnete die Beseitigung von Do Carmo geplant haben. Im Juni 2021 wurde ihr die parlamentarische Immunität entzogen. Der Weg war frei für Brasiliens Jahrhundertprozess. (kes)

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