Vizekandidaten liefern sich zivilisierten Schlagabtausch
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Remis zwischen Pence &Harris:Vizekandidaten liefern sich zivilisierten Schlagabtausch

Unentschieden zwischen Pence und Harris
Vizekandidaten liefern sich zivilisierten Schlagabtausch

Remis zwischen den US-Vizekandidaten bei ihrem einzigen TV-Duell knapp vier Wochen vor den Wahlen: Keiner der Kandidaten vermochte dem Gegner empfindliche Schläge zu versetzen. Die Debatte verlief ruhig und geordnet ohne klaren Sieger. Der Star des Abends? Eine Fliege.
Publiziert: 08.10.2020 um 02:49 Uhr
|
Aktualisiert: 23.10.2020 um 08:40 Uhr
Daniel Kestenholz

Es war ein geordneter und eher blasser Abend nach dem chaotischen Schlagabtausch letzte Woche zwischen ihren beiden Chef: US-Vizepräsident Mike Pence (61) und die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris (55), haben sich in der Nacht auf Donnerstag ein ausgewogenes Duell geliefert. Der Vizepräsident unterbrach die Vizekandidatin ein erstes Mal nach einer halben Stunde, und sie entgegnete freundlich und bestimmt, sie doch bitte reden zu lassen: «Ich spreche immer noch.»

Gesprächsleiterin Susan Page, die das Hauptstadtbüro der Zeitung «USA Today» leitet, stellte gleich zu Debattenbeginn klar, Pence und Harris sollen sich bitte an die Regeln halten und eine «zivilisierte» Debatte liefern. Das habe das amerikanische Volk verdient. Und die Vizekandidaten machten ihren Chefs gleich vor, wie eine Debatte geordnet verlaufen kann.

Am Ende hatte Pence mehr Unterbrüche zu verantworten. Harris bewahrte Gelassenheit und schrieb Geschichte: Als erste Afroamerikanerin kandidiert sie für das zweithöchste Amt im Land und hinterlässt einen Eindruck der absoluten Kompetenz. Beide, auch Pence, gingen dabei auf Nummer sicher und schafften es nicht, die Glaubwürdigkeit und Argumente des Gegners ernsthaft anzuzweifeln. Einen grossen Einfluss auf den Ausgang der Wahl dürfte diese einzige Debatte der Vizekandidaten nicht haben. Ein ruhiger Abend ohne Überraschungen, bei dem es eine schwarze Fliege auf dem Kopf von Pence schaffte, den Kandidaten die Show zu stehlen.

Ordnung statt Chaos in Utah bei der Debatte der US-Vizekandidaten.
Foto: Keystone
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«Grösstes Versagen einer Regierung in der Geschichte unseres Landes»

Harris ging gleich zur Sache, nannte das Corona-Management Amerikas das grösste Versagen einer Regierung in der Geschichte des Landes. Sie führte die 30 Millionen Menschen an, die seit Ausbruch der Pandemie arbeitslos geworden sind. «Das amerikanische Volk ist Zeuge des grössten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden», so Harris. «Diese Regierung hat das Recht auf eine Wiederwahl verwirkt.»

Nie seien unter einer Regierung mehr Jobs verloren gegangen. Fast die Hälfte der Bevölkerung wisse nicht, ob sie Ende Monat noch die Miete zahlen kann. Die Trump-Administration habe noch immer keinen Plan, wie mit der Krise umzugehen. Joe Biden (77) dagegen und sie hätten sehr wohl einen.

Pence konterte gleich, kein US-Regierungschef habe je das Land abgeriegelt. Trump habe zeitgerecht eine Einreisesperre aus China erlassen, der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt. Pence ging gleich zu den üblichen Argumenten gegen die Demokraten über. Er repräsentiere die Partei der Freiheit und der freien Entscheidungen. Das Gleiche gelte für Steuern, die Biden und Harris sofort anheben würden. Doch Harris, forsch: «Joe Biden wird für niemanden die Steuern erhöhen, der weniger als 400'000 Dollar (367'000 Franken) im Jahr verdient.»

Harris warf der Trump-Regierung vor, sie messe den Erfolg ihrer Wirtschaftspolitik daran, wie gut es den Reichen gehe – während sich Biden um die wirtschaftliche Lage der arbeitenden Amerikaner sorgen werde. Pence stellte dagegen, dass Trump unter anderem mit Steuersenkungen einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine schnelle Erholung der Konjunktur in der Corona-Krise erreicht habe.

«Hören Sie auf, Politik mit dem Leben der Menschen zu machen»

Harris zeigte sich auch bereit, sich gegen das Virus zu impfen. Doch nur, wenn von den Behörden empfohlen. Und nicht, wenn der Präsident eine Impfung empfehle. Das brachte Pence gleich in gewisse Aufruhr – wobei er unter anderem mit dem Talent glänzte, nicht auf Fragen einzugehen und Antworten zu liefern, die er wohl eingeübt hatte.

Pence erklärte eindringlich in Richtung Harris, in Rekordzeit werde eine Impfung bereitgestellt. Sie und ihre Demokraten sollen aufhören, mit den Leben von Menschen Politik zu machen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Anstrengungen der Regierung zu untergraben.

Trump kann nicht stillhalten

Trump, fuhr Harris fort, habe Schulden über 400 Millionen Dollar. Das Land habe ein Recht darauf zu erfahren, wem er das Geld schulde, während er gerade mal 750 Dollar Steuern im Jahr bezahlt habe.

Pence antwortet flink. Trump sei ein Geschäftsmann und Erschaffer von Arbeitsplätzen, der zahllose Millionen Dollar an Steuern bezahlt habe. Trump wiederum schien es in der Ferne nicht länger zu ertragen und schrieb zahlreiche Tweets, darunter: «Mike Pence macht das grossartig! Sie ist eine Ausrutscher-Maschine.»

Sein Kämpfer in der Arena, Pence, verurteilte Biden als einen «Cheerleader für China», der Arbeitsplätze nach China abwandern liess. Dieses «China ist für das Virus verantwortlich», und Biden habe Trumps Reisesperre als «hysterisch» verurteilt.

Der Frage nach der Bedrohung durch Klimawandel wich Pence aus. «Das Klima ändert sich, wir werden der Wissenschaft folgen», sagte der Stellvertreter von US-Präsident Trump. Harris bezeichnete Klimawandel als «eine existenzielle Bedrohung für uns als Menschen».

Würde Trump Niederlage akzeptieren?

Zu umstrittenen Wahlaussagen von Trump nahm Pence keine Stellung. Auch nicht dazu, ob Trump eine Niederlage akzeptieren würde. Moderatorin Page wollte wissen, was Pence' Verantwortung in einem solchen Szenario wäre, denn Trump will sich nicht festlegen, ob er das Ergebnis bei einer Niederlage akzeptieren würde. Trump will auch nicht zusichern, dass es eine friedliche Machtübergabe geben werde.

Pence machte keine Angaben zu seiner möglichen Rolle für den Fall, sollte Trump eine Wahlniederlage am 3. November nicht akzeptieren. «Ich denke, wir werden diese Wahl gewinnen», so Pence trocken. Harris forderte die Amerikaner zur Stimmabgabe auf. «Wir werden gewinnen. Und wir werden niemandem erlauben, unsere Demokratie zu untergraben.»

Fliege auf Kopf von Pence stiehlt den Kandidaten die Show

Ein Abend ohne grosses Spektakel. Ein Highlight war die schwarze Fliege auf dem silbernen Haar von Pence, die den Vizekandidaten bei seiner TV-Debatte kurzzeitig die Show stahl. «Die Fliege, die ganze zwei Minuten lang auf dem Kopf von Pence sass, ist vielleicht der Teil des Abends, an den man sich am besten erinnern wird», schrieb der Journalist Nate Silver von der Webseite FiveThirtyEight.

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Debattierte hier ein künftiger US-Präsident?

Der republikanische Amtsinhaber US-Vizepräsident Mike Pence (61) und die Vizekandidatin der Demokraten, Kamala Harris (55), lieferten sich das wohl wichtigste TV-Duell aller bisherigen Vizekandidaten-Duelle.

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