Massaker an Schule in Texas
Das Protokoll des Amoklaufs

Mehrere Notrufe gingen ein – und trotzdem verstrichen fast 90 Minuten, bis die Polizei in Uvalde das Klassenzimmer stürmte und den Amokläufer erschoss. Das Protokoll einer Fehleinschätzung.
Publiziert: 28.05.2022 um 21:02 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2022 um 21:03 Uhr
Salvador R. erschoss 21 Menschen an einer Grundschule in Uvalde, Texas.
Foto: Instagram
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Salvador R.* (†18) richtet am Dienstag ein Massaker in einer Grundschule in der texanischen Ortschaft Uvalde an. 19 Kinder und zwei Lehrer sterben. Fast 90 Minuten verstreichen zwischen den ersten Notrufen und der Erschiessung des Täters. Eine Ewigkeit. Nun müssen sich Polizei und Politiker kritische Fragen gefallen lassen. Denn: Selbst nachdem Schüsse fielen und bereits Einsatzkräfte vor Ort waren, gingen die Polizisten nicht ins Schulgebäude rein.

«Es war die falsche Entscheidung»
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Sicherheitschef Steven McCraw:«Es war die falsche Entscheidung»

Das offenbaren Schilderungen, die Steven C. McCraw, Direktor der Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas, am Freitag machte. Er sagte: «Es war die falsche Entscheidung.» Blick hat die den bisher bekannten Tathergang vom 24. Mai 2022 zusammengetragen.

Der erste Notruf

Um 11.30 Uhr geht der erste Notruf ein. So erzählt es McCraw später. Ein Zeuge beobachtet einem Autounfall vor der Schule. Er warnt, dass der ausgestiegene Fahrer bewaffnet sei. Der bewaffnete Mann ist Salvador R.. Er schiesst bereits draussen auf zwei Männer, verfehlt sie aber. Er bewegt sich auf den Parkplatz der Grundschule zu und zielt mit seiner Waffe auf das Schulgebäude.

Ein erstes Polizeiauto erreicht die Schule. Die Uhr zeigt 11.31 an. Doch das Einsatzfahrzeug passiert den Attentäter. Auf dem Parkplatz stellen die Polizisten einen Mann, es handelt sich bei ihm allerdings um einen Lehrer. Währenddessen betritt der Salvador R. die Schule – durch den Hintereingang. Er feuert wie wild um sich, gibt mehr als 100 Schüsse ab.

Vier Minuten später, es ist jetzt 11.35 Uhr, betreten drei Polizisten des Uvalde Police Department das Schulgebäude. Zwei von ihnen werden von Schüssen getroffen, sie erleiden Streifverletzungen. Nach und nach treffen immer mehr Einsatzkräfte ein. Der Attentäter schliesst sich in zwei miteinander verbundenen Klassenzimmern ein, gibt dort weitere 16 Schüsse ab. Laut der «New York Times» erschiesst er zunächst die beiden Lehrerinnen.

Aufgebrachte Familienangehörige

Um 11.54 Uhr kursiert ein Live-Video, das die «Washington Post» verifiziert hat, es zeigt wütende Familienangehörige vor der Schule.
Ein Mann beschwert sich, wirft der Polizei vor, nur «draussen zu stehen». Weiter ist zu sehen, wie Familienangehörige einen uniformierten Beamten konfrontieren. Doch dieser fordert die Leute lediglich dazu auf, sich zurückzuziehen. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag hiess es, die Polizei habe in der Zeit daran gearbeitet, Spezialausrüstung, Schutzwesten und Verhandlungsführer zusammenzustellen.

Eltern der getöteten Kinder erheben schwere Vorwürfe
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Mittlerweile ist bereits eine halbe Stunde verstrichen, die Zeit: 12.03 Uhr. Jetzt haben sich schon 19 Polizeibeamte in der Schule versammelt. Eine Schülerin ruft den Notruf 911 an, gibt bekannt, sie befinde sich in einem der Klassenzimmer. Ihr Anruf dauert eine Minute und 23 Sekunden. Die gleiche Schülerin ruft um 12.10 Uhr erneut beim Notruf an. Dieses mal gibt sie bekannt, dass mehrere Mitschülerinnen und Mitschüler bereits tot seien. Um 12.13 Uhr meldet sie sich abermals bei der Polizei, drei Minuten später noch ein viertes Mal. Sie sagt am Telefon, dass nur noch acht oder neun Schüler am Leben seien.

Spezialeinheit trifft ein

Um 12.15 Uhr treffen speziell geschulte Bundesbeamte der Border Patrol Tactical Unit bei der Grundschule ein. Einer der Beamten erzählt später, man habe sie draussen warten lassen. Gleichzeitig ziehen Menschen Kinder aus den Fenstern, die örtliche Polizei versucht mit Handfeuerwaffen und Gewehren, eine Absperrung zu sichern.

Um 12.19 Uhr geht erneut ein Notruf ein – dieses Mal von einer anderen Schülerin aus einem benachbarten Klassenzimmer. Wenige Augenblicke später schiesst Salvador R. erneut.

Um 12.36 Uhr ruft die erste Schülerin erneut 911 an. Die Person am anderen Ende der Leitung sagt, sie solle am Telefon bleiben und sich ruhig verhalten. Um 12.43 und 12.47 Uhr bittet sie erneut verzweifelt darum, doch endlich die Polizei zu schicken.

Schlüssel vom Hausmeister

Um 12.50 Uhr können Polizeibeamte der Border Patrol Tactical Unit die Klassenzimmertür öffnen. Den Schlüssel dafür haben sie von einem Hausmeister. Sie feuern 27 Mal in das Klassenzimmer, töten dabei den Attentäter. Es gelingt ihnen, die Kinder aus der Schule zu bringen, darunter auch die Schülerin, die die Notrufe abgesetzt hatte.

Dann endlich, um 13.06 Uhr, gibt die Polizei über Facebook Entwarnung. (oco)

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