Militär-Experte sagt trotz Milliarden-Hilfspaket
«Die Ukraine steht vor einem Dilemma»

Die Russen haben das Momentum im Ukraine-Krieg. Können die 61 Milliarden der USA den Spiess umdrehen? Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheeres, ist skeptisch. Der Experte glaubt, dass damit nur die Verteidigungslinien gehalten werden können.
Publiziert: 23.04.2024 um 16:20 Uhr

Die Ukraine hat zu wenig Munition und zu wenige Soldaten. Russland hat das Momentum im Krieg, erobert seit Anfang Jahr Dorf um Dorf an der Front im Osten und zerstört zunehmend die ukrainische Energieinfrastruktur. Mit der Freigabe des Hilfspakets im Umfang von 61 Milliarden Dollar durch das US-Repräsentantenhaus zeichnet sich bezüglich Artilleriemunition und Fliegerabwehr eine Verschnaufpause ab. Doch laut Militär-Experte Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheeres, bräuchte die Ukraine zusätzliche Hilfen, um in die Offensive gehen zu können.

«Was jetzt kommt, hilft der Ukraine nur, die Front zu halten», sagt Reisner gegenüber n-tv. «Benötigt wird aber noch viel mehr – übrigens vor allem auch Fliegerabwehrsysteme in der Tiefe des Landes. Denn die Ukraine steht hier vor einem Dilemma.» Die Ukraine brauche sehr viel mehr Luftabwehr, um sich gegen die strategischen Luftangriffe der Russen wehren zu können, erklärt der Militär-Experte. Sie bräuchte dazu auch Systeme, um den Angriffen der Russen mit Gleitbomben an der Front etwas entgegensetzen zu können.

Weitere Patriot-Batterien wären nötig

«Fliegerabwehr wird sowohl an der Front als auch in den Städten dringend benötigt. Aus meiner Sicht wäre es deshalb eine sehr gute Entscheidung der USA, wenn sie auch ein, zwei oder drei weitere Patriot-Batterien liefern würden.» Das würde die Ukraine gemäss Reisner in die Lage versetzen, die Tiefe des Landes zu schützen. Nur dann könne sie den Krieg auch weiterführen.

«Was jetzt kommt, hilft der Ukraine nur, die Front zu halten»: Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheeres.
Foto: Theresianische Militärakademie
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Im Moment sei die Flugabwehr mittlerer und hoher Reichweite vor allem um die Städte und Industriezentren aufgestellt, sagt Reisner. «Aufgrund des massiven Drucks, dem die Soldaten an der Front durch den Einsatz der russischen Gleitbomben ausgesetzt waren, sah man sich in den letzten Monaten allerdings immer wieder gezwungen, die Luftabwehr um die Städte auszudünnen und Batterien an die Front zu bringen, um dort Hinterhalte zu legen.»

Kommen die Lieferungen überhaupt rechtzeitig?

Der Experte weist zudem darauf hin, dass die Russen es geschafft haben, «nicht wenige» Raketenwerfer und Radargeräte zu zerstören. Bei den Ukrainern wiege ein solcher Verlust wesentlich schwerer als auf russischer Seite. 

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Video zeigt Angriff:Hier wird ein Himars-Mehrfachraketenwerfer zerstört

Reisner geht wie viele andere Experten davon aus, dass Russland demnächst eine Offensive starten wird. Kommt die erneute Hilfe dafür noch rechtzeitig an? «Es wird Ressourcen geben, die relativ rasch da sind, zum Beispiel Artilleriegranaten oder gar ATACMS-Boden-Bodenraketen.» Anderes Material wie zusätzliche Fliegerabwehr werde länger brauchen. «Die bereits im vergangenen August zugesagten F16-Kampfjets sind immer noch nicht in der Ukraine eingetroffen.» (noo)

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