«Mister Corona» wird trotz 4800 Toten zur Kultfigur
20-Jährige tätowiert sich Tegnells Gesicht aufs Bein

Schwedens Chef-Epidemiologe Anders Tegnell bekommt für seinen Sonderweg noch immer viel Unterstützung. Um ihre Bewunderung auszudrücken, machen Tegnells Fans auch vor der eigenen Haut nicht Halt.
Publiziert: 11.06.2020 um 21:09 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2020 um 16:23 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Kaum eine Kurve stieg und fiel in den vergangenen Monaten steiler als die der Beliebtheit von Schwedens «Mr. Corona» Anders Tegnell. Die nationale und internationale Kritik am Chef-Epidemiologen und seinem Anti-Lockdown-Kurs ist mittlerweile heftig.

Die Bewunderung für den 64-jährigen Wissenschaftler geht sogar unter die Haut. Die 20-jährige Anna Berglund aus dem südschwedischen Jönköping hat sich Tegnells Gesichts aufs Bein tätowieren lassen. «Meiner Meinung nach hat Schweden recht, nicht alle Städte zu schliessen, und ich denke, Tegnell ist vernünftig, klar und gut», schwärmt der glühende Fan in einer Lokalzeitung. «Er ist so ruhig und selbstbewusst. Ich mag ihn.»

Unter dem Tattoo steht «Hände waschen»

Das Motiv habe sie «lustig» gefunden. Tegnells Gesicht ist bereits ihr sechstes Tattoo. Kritik, dass sie das Coronavirus nicht ernst nehme, weist sie von sich. Sie halte die Empfehlungen der schwedischen Gesundheitsbehörde ein und besuche etwa ihre Grosseltern nicht mehr. Unter ihrem Tattoo steht zudem die Aufforderung: «Hände waschen».

Der Schwede Gustav Lloyd Agerblad lässt sich ein Tegnell-Tattoo stechen.
Foto: imago
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Berglund ist nicht der einzige Tegnell-Fan. Bereits Ende April berichteten Medien, dass sich mehrere Stockholmer, wie der 32-jährige Gustav Lloyd Agerblad, das Gesicht des Chef-Epidemiologen hätten tätowieren lassen. In einer Facebook-Gruppe posten Fans Grafiken, die den Wissenschaftler als Superman zeigen.

Tegnell hatte vergangene Woche erstmals zugegeben, dass der schwedische Sonderweg möglicherweise falsch war. Zuvor hatte er Kritik stets weit von sich gewiesen – mit der Begründung, Schweden werde bald Herdenimmunität erreichen und sei damit besser für eine mögliche zweite Welle gerüstet.

Täglich mehrere Hundert Neuinfektionen

Aktuelle Studien widersprechen Tegnells Theorie. Erkrankte mit nur leichten Symptomen bilden möglicherweise nicht genügend Antikörper für eine Immunität. Und auch die Infektions- und Todeszahlen deuten auf einen problematischen Kurs hin: Täglich kommen mehrere Hundert Neuinfektionen hinzu, am Donnerstag meldete die Gesundheitsbehörde gar einen Rekordanstieg von 1474 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Mehr als 4800 Corona-Tote verzeichnet das Land bislang.

Dennoch will Tegnell am Sonderweg festhalten. Bewunderung will er dafür jedoch nicht. Das fühle sich «einfach zu seltsam» an. Positiv sei an der Aufmerksamkeit nur, dass sie zeige, wie hoch die Glaubwürdigkeit der schwedischen Gesundheitsbehörde sei. So könne seine Corona-Strategie besser umgesetzt werden.

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