Münchner Sicherheitskonferenz prangert an
Elend und Gewalt in libyschen Internierungslagern

Vier Wochen nach der Berliner Libyen-Konferenz haben die Teilnehmerstaaten am Sonntag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz erneut über die Lage in dem nordafrikanischen Krisenstaat beraten.
Publiziert: 21.02.2020 um 15:04 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2020 um 14:08 Uhr
Seit der Tripolis-Offensive des libyschen Generals Chalifa Haftar im April 2019 hat sich die Sicherheitslage für Flüchtlinge in Libyen verschlechtert.
Foto: AFP
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Eine Friedenslösung soll nach dem erklärten Willen der Konferenzteilnehmer auch eine Verbesserung für die in Libyen lebenden Flüchtlinge bringen. Seit Beginn der Tripolis-Offensive des Generals Chalifa Haftar im April 2019 hat sich die Sicherheitslage für Flüchtlinge in Libyen noch verschlechtert - in den Internierungslagern sind Folter, Menschenhandel und Vergewaltigungen an der Tagesordnung.

Vor dem gewaltsamen Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 lebten mehr als 1,5 Millionen Zuwanderer in dem nordafrikanischen Staat. Heute sind es nach Uno-Schätzungen etwa halb so viele. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gehen von etwa 800'000 Migranten in Libyen aus, darunter fast 345'000 Binnenvertriebene. Bei etwa 46'000 der Migranten handelt es sich um registrierte Flüchtlinge und Asylbewerber.

Tausende libysche Asylbewerber umgesiedelt

Im Zuge des Resettlement-Programms des UNHCR wurden im vergangenen Jahr rund 7200 Asylbewerber von Libyen in andere Länder gebracht, davon rund 2400 in die Nachbarstaaten Niger und Tschad. Seit 2017 bemüht sich das UNHCR auch darum, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus libyschen Internierungslagern in EU-Staaten zu bringen. 2019 kamen auf diesem Weg 4844 Menschen in die EU.

Berüchtigt sind die Internierungslager, in welche die libysche Küstenwache auf dem Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge bringt. Laut UNHCR werden derzeit mehr als 3000 Menschen in solchen Haftzentren willkürlich gefangen gehalten. Menschenrechtler üben immer wieder massive Kritik an den Bedingungen in den Zentren, das deutsche Auswärtige Amt sprach 2017 gar von «KZ-ähnlichen Verhältnissen».

Folter ist in den Internierungslagern an der Tagesordnung

Viele Inhaftierte seien auf der Flucht Opfer von Gewalt und Folter geworden, sagt der Libyen-Einsatzleiter von «Ärzte ohne Grenzen», William Hennequin. Die medizinische Versorgungslage in vielen Internierungslagern bezeichnet er als verheerend. In den Zentren auftretende Krankheiten seien meist «haftbedingt» - etwa durch einseitige Ernährung oder mangelnde Hygiene. Hinzu kämen etliche Tuberkulose-Fälle sowie Traumata.

Neben den offiziellen Haftzentren gibt es zahlreiche inoffizielle Gefängnisse, die von Milizen betrieben werden. Flüchtlinge und Migranten würden dort «zum Zweck der Erpressung von Lösegeldern, sexueller Ausbeutung und für Zwangsarbeit festgehalten», hiess es in einer Antwort der deutschen Regierung auf eine kleine Anfrage der Grünen. Wie viele solcher Gefängnisse es landesweit gibt, ist völlig ungewiss - weder die IOM noch das UNHCR haben Zugang zu diesen Einrichtungen.

Mehr als ein Drittel der registrierten Flüchtlinge in Libyen stammt aus Syrien, viele weitere aus dem Sudan und Eritrea. Beim grössten Teil der Zuwanderer in Libyen handelt es sich aber um Arbeitsmigranten aus Niger, Ägypten, Tschad, Somalia und Nigeria.

Schwarzarbeit und Menschenhandel

«Die libysche Wirtschaft war schon immer auf Zuwanderer angewiesen. Der Bürgerkrieg und der Kollaps der öffentlichen Verwaltung haben den Nährboden für einen enormen Schwarzarbeitsmarkt geschaffen», sagt Hennequin.

In den vergangenen neun Monaten sind auch Flüchtlinge zur Zielscheibe von Kampfhandlungen geworden. Im Juli 2019 wurden bei Luftangriffen auf ein Internierungslager in Tadschura 53 Menschen getötet. Die grösste Gefahr gehe für Flüchtlinge aber vom kriegsbedingten Chaos aus, in dem Menschenhändler und kriminelle Banden leichtes Spiel hätten, sagt Hennequin. Laut UNHCR wurden seit Beginn der Kämpfe im April 2019 etwa 150'000 Menschen vertrieben. (SDA)

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