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Nach AfD-Erfolg in Sachsen
Letzte Hoffnung Kenia

Nach den massiven Stimmengewinnen für die Rechtspopulisten ringt die CDU in Sachsen um eine stabile Regierung. Das geht nicht ohne Kompromisse.
Publiziert: 02.09.2019 um 19:55 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2019 um 07:36 Uhr
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (44) muss wohl eine ungewöhnliche Allianz schmieden.
Foto: picture alliance/dpa
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Fabienne Kinzelmann

Noch im Wahlkampf beschimpfte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (44) die Grünen heftig. Ein Grossteil seiner CDU lehne eine Regierungsbeteiligung ab. Er selbst eingeschlossen.

Nun ist ausgerechnet die Öko-Partei seine einzige Chance. Zwar haben die Christdemokraten bei der Landtagswahl am Sonntag unter Kretschmer besser abgeschnitten als bei der Bundestagswahl 2017 oder der Europawahl im Mai, sind erneut stärkste Kraft im Freistaat. Doch für eine Neuauflage der Koalition mit der SPD reicht es nicht.

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Kenia ist Kretschmers einzige Chance in Sachsen

Die CDU kommt im neuen sächsischen Landtag voraussichtlich auf 45 Sitze, für eine absolute Mehrheit braucht sie mindestens 60. Insgesamt hat der Landtag dem vorläufigen amtlichen Ergebnis zufolge 119 Abgeordnete. Will Kretschmer nicht für eine schwarz-blaue Koalition mit den Rechtspopulisten zusammenspannen – und das wollen er und die meisten seiner Parteigenossen keinesfalls – schafft er das nur mit den Sozialdemokraten und den Grünen.

«Kenia» nennt sich das bislang kaum erprobte Koalitionsmodell, das farblich aussieht wie die Flagge des ostafrikanischen Landes. Deutschlandweit existiert seit 2016 die erste und einzige schwarz-rot-grüne Zusammenarbeit in Sachsen-Anhalt. Reibungsfrei ist das nicht – erst im Juni drohten die Grünen, die Koalition platzen zu lassen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (65, CDU) schickte dennoch Glückwünsche nach Sachsen und empfahl den «Parteien der Mitte» für eine Kenia-Koalition zusammenzurücken.

Doch dass Kenia ausgerechnet in Sachsen erneut zum Testfall wird, birgt massiv Konfliktpotenzial. Der CDU wäre ein Koalitionspartner deutlich lieber gewesen. Wenn möglich, hätte vieles für eine Neuauflage der Grossen Koalition gesprochen – besonders bei der Braunkohlefrage. Bundespolitisch ist der Kohleausstieg beschlossene Sache, die Grünen drängen auf Klimaschutz – doch die in Sachsen seit 1990 regierende CDU geht das Thema bislang gemütlich an.

Rot-Rot-Grün in Brandenburg

Sachsen teilt sich die durch die Braunkohlefrage besonders betroffene Region Lausitz ausgerechnet mit Brandenburg. Auch dort gingen die Wähler am Sonntag an die Urne, auch dort fuhr die Regierungspartei massive Verluste ein. Ministerpräsident Dietmar Woidke (57) kann mit seiner SPD weiter regieren – wenn er erneut mit der Linken und zusätzlich noch mit den Grünen zusammenspannt. Auch hier wird die Öko-Partei also zum Zünglein an der Waage, weil keine Partei in Brandenburg mit der AfD unter dem rechtsextremen Landeschef Andreas Kalbitz (46) koalieren will.

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Mehrheitsbeschaffer wollen sie nicht sein, das haben beide Landesverbände der Grünen schon vorab klargestellt. Inhaltlich wird das für sie wenig lukrativ, doch ganz ohne Kompromisse geht es wohl auch nicht. Alle Parteien, die neben der AfD für eine Koalition in Sachsen oder Brandenburg infrage kommen, werden wohl in den sauren Apfel beissen. An der Dreierkoalition kommen sie nicht vorbei, wenn sie den Aufstieg der Rechtspopulisten verhindern wollen. 

Listendebakel kostet AfD Sitze im Landtag

Und die streben noch immer nach der Regierung. Sachsens AfD-Chef Jörg Urban (55) forderte schon vor Stimmauszählung in Sachsen Neuwahlen. Ein Formfehler kostet ihn Macht – trotz des Rekordergebnisses von 27,5 Prozent. Denn: Weil die Rechtspopulisten zwei Parteitage durchgeführt und Listenplätze im Block vergeben haben, wurden ihre Sitze im sächsischen Landtag gedeckelt.

Die AfD wird nach vorläufigem amtlichem Endergebnis 38 Abgeordnete in den neuen sächsischen Landtag entsenden. Das teilte die Landeswahlleiterin mit. Damit bekommt die Partei einen Sitz weniger im Parlament, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustünde.

Die 38 Sitze der AfD setzen sich demnach aus 23 Listenstimmen und 15 Direktmandaten zusammen. Da sieben der Direktbewerber auch auf der Landesliste stehen, finden diese Stimmen dort keine Berücksichtigung.

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