Nach Trumps Angriff
Mitgliedsländer sprechen WHO ihr Vertrauen aus

Ungeachtet neuer Angriffe von US-Präsident Donald Trump gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben die 194 Mitgliedsländer der WHO ihr Vertrauen ausgesprochen.
Publiziert: 20.05.2020 um 12:05 Uhr
US-Präsident Donald Trump spricht erneut Kritik an der WHO aus.
Foto: AFP
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Mit einer Entschliessung verlangten sie zum Abschluss ihrer Jahrestagung am Dienstag einen «weltweiten, zeitnahen und gerechten Zugang und ebensolche Verteilung» von Impfstoffen und Medikamenten gegen die Krankheit Covid-19, die durch das neue Virus Sars-CoV-2 ausgelöst werden kann. Ärmere Länder haben Sorge, dass die reichen Länder zunächst nur ihre eigene Bevölkerung bedienen.

Beschluss steht für internationale Geschlossenheit

Bundesaussenminister Heiko Maas lobte den Beschluss. «Das ist ein grosser Erfolg und ein wichtiges Zeichen unserer internationalen Geschlossenheit im Kampf gegen das Corona-Virus», sagte der SPD-Politiker in Berlin. Bislang gibt es weder Medikamente noch einen Impfstoff. Die Resolution verlangt auch eine unabhängige Untersuchung, wie die Welt und die WHO auf die Corona-Bedrohung reagiert haben. Weder die USA noch China erhoben Einsprüche.

Schwere Vorwürfe von Trump

Während die meisten Mitgliedsländer sich auf Massnahmen zur Eindämmung des Virus konzentriere, erhob Trump erneut schwere Vorwürfe gegen die WHO und deren Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. «Es ist klar, dass die wiederholten Fehltritte, die Sie und Ihre Organisation sich bei der Reaktion auf die Pandemie geleistet haben, der Welt extrem teuer zu stehen gekommen sind», schrieb er.

Auf vier Seiten rechnet Trump ab: Die WHO sei Hinweisen auf den Coronavirus-Ausbruch anfangs nicht nachgegangen. Sei nicht früh genug eingeschnitten. Habe Informationen zurückgehalten. Sich Druck aus Peking gebeugt. Über Versäumnisse Chinas hinweggesehen. Stattdessen den Umgang des Landes mit der Pandemie gelobt. Nicht ausreichend über die Gefahren durch das Virus informiert. Falsche Ratschläge gegeben. Kurzum: Die WHO habe den Tod vieler Menschen mitzuverantworten.

USA stellen der WHO ein Ultimatum

Trump stellte auch ein Ultimatum. Sollte sich die WHO innerhalb der kommenden 30 Tage nicht zu «wesentlichen Verbesserungen» verpflichten, werde er die Zahlungen der USA endgültig einstellen und die Mitgliedschaft überdenken. Die WHO müsse Unabhängigkeit von China zeigen. Was er sich konkret unter den geforderten «wesentlichen Veränderungen» vorstellt, blieb vage.

Für Trump ist die WHO ein willkommenes Ziel. So kann er seine Kritik an den Vereinten Nationen sowie am wachsenden Gewicht des Wirtschaftskonkurrenten Chinas vereinen. Seit Wochen wirft er Peking vor, die Gefahr lange vertuscht und so grossen Schaden und menschliches Leid über die Welt gebracht zu haben. Mehrfach behauptete er, China habe das Virus selbst in einem Forschungslabor in Wuhan freigesetzt («Es war entweder Dummheit, Inkompetenz oder es war absichtlich»). Belege lieferte er nicht. Die WHO wiederum beschimpft er seit Wochen als «PR-Agentur» und «Marionette» Chinas.

Trump lenkt von eigenem Versagen ab

Kritiker werfen Trump vor, mit seinem Feldzug gegen die WHO und China von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen. Der US-Präsident hatte das Virus trotz Aufforderung der WHO an alle Länder, sich auf einen möglichen Ausbruch vorzubereiten, wochenlang heruntergespielt. Heute haben die Vereinigten Staaten die meisten Infektionen und mehr als 90 000 Todesfälle - so viele wie kein anderes Land.

Die Corona-Krise hat die Arbeitslosenzahlen in den USA in schwindelerregende Höhen schnellen lassen. Experten warnen, dass der grössten Volkswirtschaft der Welt dieses Jahr der stärkste Wachstumseinbruch seit der Weltwirtschaftskrise vor fast 100 Jahren droht. Und das mitten im Wahlkampf. Trump tritt im November für eine zweite Amtszeit an. Also tut er das, was er zu tun pflegt, sobald er sich in die Enge getrieben fühlt: Er schlägt um sich.

Ausserdem tat sich Trump in den vergangenen Wochen mit fragwürdigen Gesundheitsratschlägen hervor. So regte er öffentlich an, Menschen im Kampf gegen Corona Desinfektionsmittel zu injizieren. Gerade erst offenbarte er, dass er selbst als Prophylaxe ein Malaria-Medikament einnimmt, zu dessen Wirksamkeit beim Coronavirus es bislang keine belastbaren wissenschaftlichen Belege gibt.

WHO konzentriert sich auf Leben retten

Der WHO-Chef ging in seiner Ansprache zum Abschluss des Treffens nicht direkt auf Trump ein. «Wir begrüssen jede Initiative, die WHO zu stärken», sagte er. «Aber jetzt müssen wir uns voll darauf konzentrieren, die Pandemie mit allem, was uns zur Verfügung steht, zu bekämpfen und Leben zu retten.» Sie habe den Menschen liebe Verwandte und Freunde geraubt. Die Pandemie stelle die internationale Zusammenarbeit auf die Probe, aber sie habe die Menschen auch gelehrt, dass sie nur zusammen stark seien.

Kritik von Ärzte ohne Grenzen

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen kritisierte, dass die Resolution keine Verpflichtung enthalte und sich deshalb auch nicht durchsetzen lasse. «Die Frage, wer wann Zugang zu dringend benötigten Impfstoffen, Medikamenten oder Diagnostika hat, darf in einer globalen Pandemie nicht der Freiwilligkeit und der Willkür einzelner Firmen oder Länder überlassen werden», sagte Marco Alves von der Medikamentenkampagne der Organisation in Berlin. (SDA)

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Die WHO und die USA

Die in Genf ansässige WHO ist die wichtigste Sonderorganisation der Vereinten Nationen im Gesundheitsbereich. Ihr Budget besteht nach Angaben der Organisation zu weniger als einem Viertel aus den verpflichtenden Beiträgen der Mitgliedsstaaten.

Die USA sind in diesem Kreis aber der grösste Zahler: Für die Jahre 2020 und 2021 sind jeweils fast 116 Millionen US-Dollar fällig. Chinas Beitrag liegt für diese beiden Jahre bei jeweils rund 57 Millionen US-Dollar. Chinas Beiträge sind in den vergangenen Jahren aber deutlich gestiegen: 2018 und 2019 lagen sie noch bei je 37,9 Millionen US-Dollar, während sie bei den USA fast gleich blieben. Deutschland muss derzeit 29 Millionen US-Dollar pro Jahr zahlen.

Die Höhe der Mitgliedsbeiträge hängt laut WHO von der Bevölkerungsgrösse und dem Wohlstand des Landes ab.

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