Nach Übernahme der Taliban
Frauen in Afghanistan fürchten um ihr Leben

In Afghanistan bangen Frauen nach der Machtübernahme um ihre Rechte. Todesdrohungen und Einschränkungen könnten wieder Realität werden.
Publiziert: 16.08.2021 um 15:54 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2023 um 11:20 Uhr

Keine Schulbesuche, nur noch in Begleitung aus dem Haus: Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan müssen Frauen um ihre Rechte bangen. 

Bereits im Juli gab es in den von Taliban kontrollierten Regionen Drohungen gegen Schulen, die Mädchen unterrichten. «Wir haben Briefe mit Stempeln und Unterschriften der Taliban erhalten. Es waren Anweisungen, keine Mädchen mehr in den Unterricht zu lassen», erzählt eine Schülerin (18) in der Stadt Herat.

In einer benachbarten Schule seien verbrannte Leichenhemden vor der Tür platziert worden. Daneben lag ein Brief: «Wenn sich ein Mädchen weiterhin in die Schule wagt, wird es in Bälde nur noch ein solches Hemd tragen.»

Frauen in Afghanistan fürchten um ihre Rechte und um ihr Leben. Bereits im Juli gab es in den von Taliban kontrollierten Regionen Drohungen gegen Schulen, die Mädchen unterrichten.
Foto: DUKAS
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Angst vor Rache

Zwar sagte ein Sprecher der Taliban noch am Freitag, Frauen dürften weiterhin die Schule besuchen und arbeiten. Experten sind aber überzeugt, dass dies kaum so sein wird. «Die Taliban sind wütend, dass Frauen in den letzten 20 Jahren mehr Macht erhielten. Nun können sie sich rächen», sagt Politikerin und Aktivistin Fausia Kufi (46) zu NBC.

Viele Frauen fürchten um ihr Leben. «Meine Augen sind geschwollen von den Tränen», erzählt eine Aktivisti CNN. Sie habe Angst vor den Taliban und vor den Einschränkungen, die Frauen drohten. «Ich denke, ich habe keine Tränen mehr in mir, ich habe so viel geweint.»

Roya Afshar, eine Ärztin aus der Hauptstadt Kabul, erzählt dem «Spiegel», sie verstecke sich seit Tagen zu Hause. «Ich müsste dringend zur Arbeit gehen, aber ich kann nicht. Jedes Mal, wenn ich rausgehe, werde ich bedroht von Anrufern, die sagen: ‹Du sollst nicht rausgehen, du darfst nicht›.»

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«Trügerische Ruhe»

In den meisten von den Islamisten kontrollierten Regionen ist Mädchen der Schulbesuch ausschliesslich bis zum Alter von zwölf Jahren erlaubt. Ausserdem müssen sie sich im Unterricht vollständig verschleiern, berichtet «Time». Die meiste Unterrichtszeit wird für das Studium des Korans aufgewendet. 

In Afghanistan herrsche eine «trügerische Ruhe», schreibt der «Spiegel». Immer wieder hätten sich die Taliban in den vergangenen Monaten progressiv gezeigt, doch der Eindruck täusche. «Sobald sie ihre Macht über das Land vollständig konsolidiert haben, wird sie wenig davon abhalten, alle ihre Vorstellungen abermals mit Gewalt durchzusetzen», schreibt das Magazin.

Für Frauen bedeutet das: Vollverschleierung, keine Bildung, keine Freiheiten. Das Haus dürfen sie nur in Begleitung eines Mannes verlassen. Frauen, die die strengen Regeln der Sharia nicht befolgen, riskieren, öffentlich geschlagen oder getötet zu werden. 

Taliban drohen Pflegern

In Kunduz, einer Stadt im Nordosten Afghanistans, sind die radikalen Gotteskrieger seit mehr als einer Woche an der Macht. Hier zeigt sich, was dem Land in Zukunft bevorstehen könnte. Einwohner berichten in der «New York Times» von Checkpoints, die in der ganzen Stadt errichtet worden seien.

Überall seien Männer mit Waffen, selbst in den Spitälern. «Die Taliban haben jeden der Pfleger und Ärzte angerufen und ihnen gesagt, sie müssten zur Arbeit zurückkehren. Ansonsten würde man sie erschiessen», erzählt ein Bewohner. Pflegerinnen hätten sich aus Furcht vor den Gotteskriegern vollverschleiert. «Sie laufen selbst in den Gängen des Spitals mit Waffen rum», erzählt eine Pflegerin. 

Weibliche Beamte müssen zu Hause bleiben

Die Stimmung in der Stadt sei zwar noch ruhig, aber angespannt. «Uns wurde versichert, dass wir nicht angegriffen werden. Die Taliban haben bislang niemanden getötet», erzählt ein Regierungsbeamter. «Aber die Leute haben alle Angst. Niemand weiss, was auf uns zukommt.»

Nach einer Woche an der Macht habe der neue Bürgermeister angeordnet, dass kein Alkohol mehr verkauft werden dürfe. Weibliche Staatsangestellte habe er keine mehr gesehen, erzählt der Regierungsbeamte. Der Bürgermeister habe angeordnet, dass sie zu Hause bleiben müssen. (zis) 

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