Neue Panik bei US-Demokraten
Biden kann sich nicht erinnern, ob er die Debatte schaute!

Ein Interview mit dem Fernsehsender ABC hätte die Wogen glätten und die Biden-Anhänger beruhigen sollen. Stattdessen sorgte der US-Präsident mit seinem jüngsten Auftritt für neue Panik bei seinen Verbündeten. Klar ist jetzt: Biden wird nicht aus dem Rennen steigen.
Publiziert: 06.07.2024 um 04:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2024 um 09:37 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Jetzt wissen wirs: Nur Gott kann Joe Biden (81) noch stoppen. Von niemandem sonst lässt sich der US-Präsident aus dem Rennen ums Weisse Haus bugsieren. Das machte er in einem 21-minütigen Fernseh-Interview mit dem US-Sender ABC in der Nacht auf Samstag klar: «Wenn der Allmächtige herunterkommt und mir sagt, dass ich Trump nicht schlagen kann, dann denke ich vielleicht übers Aufgeben nach», sagte Biden. Sonst aber gäbe es nichts, was ihn aufhalten könne.

Das erste Live-Interview seit Bidens Horror-Auftritt an der Präsidentschaftsdebatte gegen Trump vergangene Woche hätte die Wogen glätten und seine Anhängerschaft beruhigen sollen. Biden wollte zeigen, dass seine Ausfälle während des TV-Duells eine Ausnahme waren. Doch seine Antwort über den Allmächtigen war bei Weitem nicht das einzige, das den zusehends panischen US-Demokraten den Schweiss auf die Stirn treiben dürfte.

Der schlimmste Moment: ABC-Journalist George Stephanopoulos (63), ehemaliger Bill-Clinton-Berater und erfahrener TV-Interviewer, fragte Biden, ob er die Fernsehdebatte nachgeschaut habe. «Ich glaube nicht, nein», antwortete Biden nach kurzem Zögern. Dass sich der US-Präsident nicht daran erinnern kann, ob er die 90-minütige Sendung in der vergangenen Woche gesehen hat oder nicht, bestätigt genau jenes Bild vom verwirrten alten Mann, das Biden mit dem ABC-Interview eigentlich korrigieren wollte.

Joe Biden versuchte in der Nacht auf Samstag mit einem Live-Interview mit dem Fernsehsender ABC die wachsende Kritik an seiner Kandidatur zu kontern.
Foto: Getty Images
Joe Biden versuchte in der Nacht auf Samstag mit einem Live-Interview mit dem Fernsehsender ABC die wachsende Kritik an seiner Kandidatur zu kontern.
Foto: Getty Images
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Seine Ausreden für die schlechte Debatte: Nicht viel überzeugender waren Bidens Ausreden für seinen von Aussetzern geprägten Auftritt gegen Trump. Er sei erschöpft gewesen, krank. «Ich habe mich schrecklich gefühlt, hatte eine schlimme Erkältung», sagte Biden. Und: «Trump hat immer weiter gepoltert, selbst, als sie sein Mikrofon ausgeschaltet hatten. Das hat mich verwirrt.» Immer wieder betonte Biden, dass er «einfach eine schlechte Nacht» gehabt habe. Das wussten wir schon. Jetzt wissen wir auch, dass er dafür keine plausible Erklärung hat.

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Biden: «Niemand ist besser qualifiziert als ich»

Beunruhigend aus Sicht seiner Partei ist Bidens klare Weigerung, sich einem ausführlichen Gedächtnistest zu stellen. «Jeder Tag ist für mich ein Gedächtnistest», gab er ausweichend zur Antwort. Volle Transparenz schaffen über seinen medizinischen und kognitiven Zustand aber, das will Biden nicht.

Stattdessen hält er verbissen daran fest, dass er der beste Kandidat sei, um Trump zu schlagen. «Niemand ist besser qualifiziert als ich, um Präsident zu sein oder dieses Rennen zu gewinnen», sagte Biden.

Damit bestätigt er, was die wachsende Zahl an demokratischen Politikern und besorgten Verbündeten in Amerika befürchten: Biden ist nicht einsichtig und will seinen Posten nicht für eine jüngere Kandidatin oder einen fitteren Kandidaten räumen. Und das, obwohl inzwischen mehrere grosse Umfragen bestätigen, dass Donald Trump (78) seinen Vorsprung auf Biden in den Tagen nach der TV-Debatte massiv hat ausbauen können.

Für die US-Demokraten bleibt die Ausgangslage nach dem ABC-Interview mindestens so verzwickt wie zuvor. Sie werden ihr stures Schlachtross nicht los. Nur Biden selbst kann sich aus dem Rennen nehmen. Und weil sein ABC-Auftritt zwar alles andere als überzeugend, aber eben auch keine absolute Katastrophe war (komplette Aussetzer wie jene während der Debatte hatte Biden keine), wird Biden ganz sicher keinen Wank machen und sich weiter an seine Position festklammern.

Biden glaubt den Umfragen nicht

Am Montag kommen Washingtons Politiker aus ihren kurzen Nationalfeiertagsferien zurück. Das Getuschel in den Gängen des Kapitols wird wilde Blüten treiben. Und anlässlich des Nato-Gipfels, der am Dienstag in der amerikanischen Hauptstadt beginnt, wird die Welt bald neue Live-Bilder von Biden auf dem internationalen Polit-Parkett sehen. Wir erinnern uns: Zuletzt musste die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni (47) den verwirrten Biden am G7-Gipfel in Italien zurück zur Gruppe bringen.

Kein Grund zur Entspannung für die US-Demokraten also. Die Partei bleibt in Geiselhaft ihres alternden Anführers, der jegliche Kritik in den Wind schlägt und – wie er im ABC-Interview betonte – den Umfragen keinen Glauben schenkt, die ihn inzwischen weit abgeschlagen hinter Trump sehen. «Gefährlich», urteilt der einflussreiche demokratische Polit-Berater in Amerika, David Axelrod (69), auf Twitter. Vor vier Jahren sei Biden zu diesem Zeitpunkt mit zehn Prozentpunkten in Führung gelegen, jetzt liege er sechs Prozentpunkte hinter Trump.

Apropos: Der Republikaner blieb nach dem ABC-Interview seines Kontrahenten auffällig ruhig. Er scheint Biden bei seiner öffentlichen Selbst-Demontage nicht stören zu wollen. Warum sollte er auch.

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