Private Kampftruppen wollen nicht ins russische Militär
Russlands Söldner-Dilemma

Über 40 russische Söldnergruppen sind weltweit tätig, gut ein halbes Dutzend alleine in der Ukraine. Verteidigungsminister Schoigu hält es für eine gute Idee, sie dem Militär unterzuordnen. Aufstände wie die von Wagner beweisen das Gegenteil.
Publiziert: 28.06.2023 um 20:11 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Der Ukraine-Krieg ist auch ein Krieg der Söldner. Während Jewgeni Prigoschin (62) und seine Gruppe Wagner wohl die bekanntesten Söldner der Welt sind, gibt es viele weitere solcher Gruppierungen, die im Schatten Wagners operieren.

Beispielsweise die Gruppe Redut oder die Patriot-Söldner. Sie werden im russischen Krieg gegen die Ukraine immer wichtiger. Erstere kommt in Sachen Bedeutung und Grösse sogar an Wagner heran. Obwohl sie, wie der «Spiegel» schreibt, unter dem Deckmantel des russischen Verteidigungsministeriums in der Ukraine tätig sind, werden sie privat vom Oligarchen Gennadi Timtschenko (70) finanziert. Zu ihnen gehören noch weitere, kleinere Söldnertruppen.

Patriot hingegen steht bereits in Verbindung mit dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68). Auch sie sollen als Konkurrenz zu Wagner gegründet worden sein – genau wie Redut. Schoigus Privattruppe soll laut «Kiew Post» in sieben Ländern tätig sein, darunter in der Zentralafrikanischen Republik und nach 2018 in Syrien. Auch der russische Energieriese Gazprom soll bereits seine eigene Privatarmee gegründet haben, wie das ukrainische Militär bestätigt.

Die russischen Söldner der Gruppe Wagner haben ihr eigenes Land angegriffen.
Foto: keystone-sda.ch
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40 Söldnertruppen in Russland – und es werden mehr

Insgesamt soll es aktuell um die 40 russische Söldnertruppen geben. Sie sollen auf vier Kontinenten und in rund 30 Ländern aktiv sein, wie Daten des Zentrums für strategische und internationale Studien (CSIS) zeigen. Laut ukrainischen Medienberichten kämpfen von den rund 40 existierenden etwa 25 bis 30 sogenannter PMCs (Private Military Companies) auf russischer Seite in den besetzten Gebieten. Und sie alle konkurrieren miteinander um mehr Einfluss, Ruhm und Ehre.

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Dass immer mehr solcher Gruppen gegründet werden, hat mehrere Gründe: Söldnertruppen sind ein integraler Bestandteil der russischen Verteidigung. Der Kreml begrüsst es, dass sie in seinem Interesse handeln, aber nicht Teil der regulären Armee sind. So konnte Russland die Präsenz «eigener» Truppen etwa in afrikanischen Ländern stets abstreiten. Auch in der Ukraine können etwaige Kriegsverbrechen so von sich gewiesen und den Söldnertruppen in die Schuhe geschoben werden – obwohl diese im Auftrag Moskaus handeln.

Das heisst: Eine solche Gruppe zu gründen und damit für den Kreml in den Krieg zu ziehen, ist ein lukratives Geschäft. Den Gründern geht es dabei meist um Einfluss und Macht im russischen Polit-Apparat. Wer Soldaten für den Krieg stellt, steigt in der Gunst von Kremlchef Wladimir Putin (70). Zudem denken viele Gründer laut der Politologin Margarita Balmaceda (58) bereits jetzt an die Machtverteilung im Nachkriegsrussland. Den Soldaten hingegen geht es um Geld. Im Vergleich zum gewöhnlichen russischen Soldaten verdient man als Söldner sehr gut.

Fluch und Segen zugleich

Die Söldner haben des Ukraine-Krieges ihren Wert für das russische Militär bewiesen – aber auch, wie gefährlich der Einsatz von Söldnertruppen für eine Regierung wie jene Russlands sein kann. Bereits 2019 analysierte das schwedische Verteidigungsministerium die volatile Lage der Söldner in Russland: «Es besteht die Gefahr, dass die Söldnertruppen zu unabhängig und unkontrollierbar werden, was letztlich das staatliche Gewaltmonopol untergraben könnte.»

Genau deshalb versucht Verteidigungsminister Schoigu dem Söldner-Wildwuchs Herr zu werden. Seit Monaten will er die Söldner-Gruppen in der Ukraine unter die Kontrolle des russischen Staats bekommen. Kürzlich hat er einen Erlass angeordnet, der alle Söldnertruppen dazu zwingen soll, sich bis zum 1. Juli dem russischen Militär unterzuordnen.

Dass Schoigus Wunsch nach einer einheitlichen Kommandostruktur nicht klappen wird, hat Prigoschins «Marsch auf Moskau» eindrücklich gezeigt. Der Umgang mit solchen Kampfverbänden stellt Russlands militärische und politische Führung vor ein Dilemma. Söldnertruppen, die zumindest teilweise ausserhalb der staatlichen Strukturen stehen, können sich verselbstständigen und selbst ihrem Schöpfer – dem Kreml – Probleme bereiten. Eine Eingliederung in das Militär kann sich dementsprechend schwierig gestalten.

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