Hier flüchten die Einwohner aus den Medinas
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Video zeigt erstes Beben:Hier flüchten die Einwohner aus den Medinas

Rabat lehnt Hilfsangebote von rund 60 Ländern ab
Marokko will offenbar keine Schweizer Erdbebenhilfe

Rabat zeigt sich wählerisch bei der Annahme von Erdbebenhilfe. Dutzende Regierungen bieten Hilfe an. Marokko winkt ab – auch einem Hilfsangebot aus der Schweiz. Über die Gründe wird spekuliert. Dies, während das Land von der Katastrophe komplett überfordert scheint.
Publiziert: 12.09.2023 um 04:47 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2023 um 09:51 Uhr

In den schwer zugänglichen Erdbebengebieten in Marokko arbeiten die Einsatzkräfte bei der verzweifelten Suche nach Überlebenden am Rande der Erschöpfung. Teils mit blossen Händen müssen sie sich bei grosser Hitze durch Schutt und Trümmerhaufen vorkämpfen. Die Hoffnung, am vierten Tag nach dem schweren Erdbeben vom Freitagabend Menschen noch lebend zu finden, schwindet von Stunde zu Stunde.

Die Opferzahl nähert sich 3000, fast gleich hoch liegt die Zahl der teils Schwerverletzten. Zahllose bleiben vermisst. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Rettungskräften und Hilfsmitteln. Doch Marokko nimmt Hilfsangebote von vielen Ländern nicht an – und brüskiert Regierungen. Dies, während die Zeit und wachsende Not drängen.

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Fast 3000 Tote, nahezu ebenso viele Verletzte und Schwerverletzte, viele Vermisste: Marokko leidet an den Folgen des schweren Erdbebens am Freitag.
Foto: KEYSTONE
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Schweiz wartet auf Hilfseinsatz

Auch aus der Schweiz liegt ein Hilfsangebot vor. Wie das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Montag auf seiner Webseite meldet, «haben die marokkanischen Behörden noch nicht auf das Hilfsangebot reagiert».

Das Schweizer Hilfsangebot umfasst Unterstützung in verschiedenen Bereichen wie Notunterkünfte, Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen sowie Medizin und Bautechnik. Ein Team von acht Spezialisten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) wurde zusammengestellt und ist bereit, in das Land zu reisen. Doch Rabat schweigt zum Angebot aus Bern.

Gleich ergeht es Ländern wie Frankreich, Deutschland, Italien und den USA. Selbst die Vereinten Nationen sagten, nach dem verheerenden Erdbeben im Hohen Atlas jede mögliche Hilfe leisten zu können.

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Marokko bevorzugt «befreundete» Länder

Zur Verblüffung vieler ausländischer Regierungen nimmt Marokko Hilfsangebote nur wählerisch an. Das Innenministerium erklärte am Sonntag, dass es zunächst nur Such- und Rettungsteams aus Grossbritannien, Katar, Spanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten einreisen lasse – vier Länder, die als «befreundet» bezeichnet werden. Rabat habe dabei die «Bedürfnisse vor Ort» zu berücksichtigen.

In Frankreich, das Marokko von 1912 bis 1956 als Kolonialmacht beherrschte, wurde die Ablehnung mit Verwunderung aufgenommen. Es wird spekuliert, dass auch Migrationsfragen eine Rolle spielen bei der Abkühlung der Beziehungen zwischen Rabat und Paris.

Laut der französischen Innenministerin Catherine Colonna (67) haben etwa 60 Länder Marokko Erdbebenhilfe angeboten. Nur einer Handvoll gab Rabat grünes Licht, während über mögliche politische Motive des nordafrikanischen Landes spekuliert wird.

Deutsches Team war schon am Flughafen

Am Sonntag wurde auch ein 50-köpfiges Team des bundesdeutschen Technischen Hilfswerks (THW) zurückgeschickt. Die Fachkräfte waren am Wochenende auf dem Köln-Bonner Flughafen zusammengekommen. Marokko nahm ihr Hilfsangebot nicht an. Unverrichteter Dinge mussten die Helfer wieder nach Hause.

«Wir brauchen Hilfe von jedem, der sie uns gibt»

Die marokkanische Regierung lässt ihre Bevölkerung im Stich. «Wir brauchen so dringend Hilfe», zitiert die BBC einen Bewohner in einem zerstörten Dorf. «Und wir brauchen Hilfe von jedem, der sie uns geben will.»

«Ich möchte, dass die Menschen mir helfen», so der Mann namens Omar Ait Mahdi. Seine Frau liegt im Spital, seine beiden Töchter Hanane (17) und Khadija (14) sind noch immer irgendwo im Schutt. «Ich möchte, dass die Welt mir hilft», klagt der Mann. «Ich habe meine Kinder verloren, mein Zuhause, alles, was ich besitze.» (kes)

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