Rätsel gelöst? Neue Recherchen zwei Jahre nach Anschlag zeigen
Wer Nordstream wirklich zerstört haben soll

Was ist wirklich mit den Nordstream-Pipelines passiert? Diese Frage stellen sich Ermittler und Geheimdienste seit zwei Jahren. Nun zeigen spektakuläre Recherchen: Zivilisten und Ex-Agenten brachten die Leitungen zum Explodieren.
Publiziert: 25.09.2024 um 19:33 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2024 um 09:45 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Ukrainisches Sabotage-Kommando sprengte Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee
  • Die Aktion wurde von Ex-Geheimdienstler Roman Tscherwinsky geleitet
  • Kostenpunkt der Mission: Knapp 300'000 Dollar
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Das Ergebnis der Nordstream-Sprengung in der Ostsee.
Foto: AFP
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Janine EnderliRedaktorin News

Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im September 2022 war lange ein Mysterium. Doch zwei Jahre nach der Tat wird allmählich klar, wer hinter dem folgenschweren Anschlag in der Ostsee steckt. Wie «Spiegel»-Recherchen zeigen, war ein ukrainisches Sabotage-Kommando für die Sprengung der Leitungen verantwortlich. Brisant: Das Kommando bestand zu einem grossen Teil aus Zivilisten.

Vier Taucher sollen vom ukrainischen Ex-Geheimdienstler Roman Tscherwinski angeleitet worden sein, die extrem gefährliche Aktion durchzuführen. Das Ziel: in vollkommener Dunkelheit mehrere Sprengsätze an den bis zu 80 Metern unter der Wasseroberfläche liegenden Gasleitungen platzieren.

Vier zivile Taucher brachten Sprengsatz in bis zu 100 Metern Tiefe an

Unter falschen Personalien schickte der Agent das sechsköpfige Kommando, das bereit war, das eigene Leben zu riskieren, in den Einsatz. Bei Rostock (D) charterten die Ukrainer zunächst die Segelyacht «Andromeda», bevor sie zu der knapp dreiwöchigen Operation auf der Ostsee aufbrachen. Kostenpunkt der Mission: knapp 300'000 Dollar (255'000 Franken). Die Summe wurde offenbar von Privaten bereitgestellt.

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Nach zwei Jahren Recherche gelang es den «Spiegel»-Journalisten, die Identitäten der Personen aufzudecken, die es schafften, drei der vier Gasleitungen zu sprengen. Die Rechercheergebnisse korrespondieren laut «Spiegel» mit Erkenntnissen deutscher Ermittler und von ausländischen Geheimdiensten.

Autorisiert habe die Aktion der damalige ukrainische Oberbefehlshaber Waleri Saluschni (51). Er soll grünes Licht gegeben haben, was Saluschni bis heute bestreitet. Anders als bisher angenommen, soll der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) jedoch nichts von den Plänen gewusst haben.

Agent unter Hausarrest gestellt

Das Kalkül der Saboteure war es offenbar, der russischen Kriegswirtschaft schwere Schäden zuzufügen. Sie betrachteten die Pipelines als legitimes militärisches Ziel. Durch die Röhren aus Russland strömten vor deren Sprengung jährlich fast 60 Milliarden Kubikmeter Gas. Tscherwinski sagte bei der Fertigstellung über die Röhren: «Sie wollen Europa von sich abhängig machen.»

Als die Ermittler nach dem Anschlag langsam auf die Spur des Sabotagekommandos stiessen, wies Ex-Agent Tscherwinski erste Anschuldigungen gegen seine Person zunächst als «russische Propaganda» zurück. Der Ex-Agent arbeitete über viele Jahre für ukrainische Geheimdienste, geriet aber 2020 in die Kritik, als eine seiner Operationen scheiterte.

Nord-Stream-Explosionen waren Sabotage
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Ermittlungen zeigen:Nord-Stream-Explosionen waren Sabotage

Im April 2023 wurde Tscherwinski festgenommen und wegen einer anderen, fehlgeschlagenen Operation angeklagt. Später wurde er unter Kaution entlassen, befindet sich jetzt aber wegen Korruptionsvorwürfen unter Hausarrest.

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