Regiert Trump als Häftling?
Diese Anklage stellt alles andere in den Schatten

Schon wieder wurde Donald Trump angeklagt. Doch dieses Mal ist es anders. Es geht um einen der schwerwiegendsten Vorwürfe: Strippenzieher zu sein beim Sturm auf das Kapitol. Eine Analyse.
Publiziert: 02.08.2023 um 10:35 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2023 um 11:11 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Jahrzehntelang galt der Watergate-Skandal rund um den ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon (1913-1994) als Massstab, an dem alle anderen Präsidentschaftsskandale gemessen werden. Aber das Zeitalter von Watergate als Goldstandard für präsidiales Fehlverhalten neigt sich dem Ende zu.

Am Dienstag erhebt Jack Smith (54), Sonderermittler des Justizministeriums der USA, auf 45 Seiten Vorwürfe, die es so in der Geschichte der USA noch nie gegen einen Präsidenten gegeben hat: Donald Trump (77) habe trotz seiner Wahlniederlage 2020 versucht, sich mit kriminellen Mitteln im Amt zu halten.

Anklage behandelt Demokratie-Frage

Trump ist der erste ehemalige Präsident der USA, der wegen eines Verbrechens angeklagt wurde. Im Frühling im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen, im Juni folgte eine Anklage wegen der nicht rechtmässigen Aufbewahrung von streng geheimen Regierungsdokumenten. Die Anklage vom Dienstag ist die dritte gegen ihn. Aber es ist die erste, die ihm kriminelles Verhalten im Amt vorwirft, nicht vorher oder nachher.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump wird zum dritten Mal in vier Monaten angeklagt.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
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Konkret lauten die vier Anklagepunkte: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, Verschwörung zur Behinderung des Kongresses sowie (versuchte) Behinderung des Kongresses und Verschwörung zum Entzug verfassungsmässig garantierter Rechte.

Die Vorwürfe, die in der Anklage behandelt werden, sind Stiche in das demokratische Herz der USA. Und sie werfen die Frage auf, die die Zukunft der amerikanischen Demokratie bestimmen wird: Darf ein amtierender Präsident Lügen über eine Wahl verbreiten und versuchen, die Autorität der Regierung zu nutzen, um den Willen der Wähler ohne Konsequenzen umzustossen?

Eine Frage, die eine Nation, die sich Demokratie so gross auf die Fahne schreibt, ohne mit der Wimper zu zucken, mit «Nein» beantworten können sollte. Stattdessen werden sich Justiz und Wahlsystem ein 15-monatiges Rennen liefern, um herauszufinden, wer zuerst über Trumps Schicksal – und das des Landes – entscheiden wird.

Regiert bald ein Häftling die USA?

Trotz der vielen, vielen Anschuldigungen, die gegen Trump erhoben wurden, hält fast die Hälfte des amerikanischen Wahlvolks zu ihrem «Messias». Das zeigt eine aktuelle landesweite Umfrage der «New York Times», in der Trump zurzeit gleichauf mit Amtsinhaber Joe Biden (80) liegt.

Auch unter den Republikanern selbst geniesst er noch immer hohes Ansehen: Laut einer aktuellen Umfrage des Unternehmens Morning Consult, in der die neueste Anklage bereits einkalkuliert ist, liegt Trump noch immer mit 58 Prozent vor seinen Vorwahlrivalen.

Das dürfte Trump weiter anspornen, wie seine Reaktion zeigt, die von der üblichen Hysterie in Hetze zu kippen droht: Die «Rechtlosigkeit» der Anklage, so schreibt er in seinem sozialen Netzwerk, erinnere «an Nazi-Deutschland in den Dreissigerjahren, an die ehemalige Sowjetunion und an andere autoritäre, diktatorische Regime».

Er ist sich sicher, dass er die Präsidentschaft 2024 wieder an sich reissen wird. Schlimmstenfalls aus dem Gefängnis. Denn sollte er in mindestens einem der vier Anklagepunkte schuldig gesprochen werden, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.

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